Vera Wiehe: Nimmt man es wörtlich, bedeutet Coworking „nebeneinander arbeiten“ oder „zusammenarbeiten“. Coworking Spaces sind alternative Arbeitsorte, neben dem klassischen Arbeitsplatz im Unternehmen oder dem Homeoffice. In Coworking Spaces treffen Menschen mit verschiedensten beruflichen Hintergründen aufeinander. Zum Beispiel wissensintensive Dienstleister*innen oder Mikro- und Solo-Unternehmer*innen, die nicht dem klassischen Handel oder Handwerk zugeordnet werden können. Sie teilen sich die im Space vorhandene Infrastruktur. Betahaus gilt übrigens als erstes Coworking Space Deutschlands, wurde 2009 in Berlin gegründet und verfügt heute über zwei Standorte in Berlin.
Vera Wiehe: Die ersten Coworking Spaces hatten bundesweit Loftcharakter, waren einfach, verfügten über einzelne Arbeitsplätze und es gab Platz für einen gemeinsamen Kaffee. Hier konnte man seinen Laptop anschließen, recherchieren, zusammen Konferenzen abhalten oder Kund*innen empfangen. Ausstattung und Optik der Coworking Spaces haben sich natürlich über die Jahre verändert und weiterentwickelt. Am Lenkwerk in Bielefeld ist zum Beispiel mit dem Arbeitswerk ein schicker und edler Coworking Space im Industriedesign entstanden und bietet Raum, neue Arbeitsformen zu erproben.
Zu den Vorzügen zählen durch die gemeinsame Nutzung von Flächen und Infrastruktur vor allem die geringeren Kosten. Arbeitsplätze können flexibler gebucht und gekündigt werden und auch der kulturelle Austausch und die Vernetzung sind wesentliche Gesichtspunkte. Denn: Coworker*innen arbeiten unabhängig voneinander und gleichzeitig auch miteinander. Neben gemeinschaftlich genutzter Infrastruktur und Gemeinsamkeit bieten Coworking Spaces nämlich besonders viele Möglichkeiten zur Kooperation. Allein durch die Dienstleistungsdichte, die dort herrscht. Dafür gibt es auch in Bielefeld ein frühes Beispiel. Bereits vor 15 Jahren entstand auf Initiative der WEGE in Bielefeld ein Netzwerk, mit dem wir Einzel- und Mikrounternehmen helfen wollten, sichtbar zu werden, sich zu vernetzen und spezifische Förderangebote zu nutzen. Wir brachten das WIM-Netzwerk auf den Weg und gründeten dafür eine Genossenschaft. Damals gab es allein 150 Interessierte, nach der Förderphase haben wir dann mit 50 gegründet. Ein tolles Experiment, aber wir waren mit der Idee damals wohl zu früh, zu viele und zu heterogen aufgestellt.
Vera Wiehe: Nein, nicht für jede/n, aber für viele. Für Gründer*innen und Startups sind Coworking Spaces ein tolles Angebot und auch sehr hilfreich, wenn es beispielsweise um Kundenakquise, den Umgang mit Finanzen oder die Weiterentwicklung geht. Auch über Branchengrenzen hinaus. Spannend ist, dass sehr renommierte Mittelständler mit ihren Innovationsabteilungen in Coworking Spaces umgezogen sind. Nachwachsende digitale Startups haben ihnen einen Push versetzt und die Innovationsfähigkeit des Mittelstands gesteigert. Übrigens gibt es, um die Rahmenbedingungen für Gründer*innen so optimal wie möglich zu gestalten, seit dem 1. Januar 2022 das Bielefelder Startup-Paket. Damit werden Miet-, Mietneben- sowie Kommunikations- und Mobilitätskosten mit bis zu 500 Euro bezuschusst. Auch, wenn es sich um einen Coworking Space handelt. Unser Ziel ist es, die Risiken in der Startphase der Gründung zu minimieren. Zusätzlich Angebote zur Vernetzung, Kooperation und Qualifizierung ergänzen das Paket, um Synergieeffekte zwischen den geförderten Unternehmen zu erzeugen und die räumliche Nähe zu den Zentren des Startup-Ökosystems zu nutzen. Die Antragstellung erfolgt online auf unserer Internetseite (www.wege-bielefeld.de).
Vera Wiehe: Bielefeld punktet mit einer hohen Diversität an Coworking Spaces. Jeder der rund 16 Spaces, die sich auf unserer Homepage präsentieren, zeichnet sich durch sein besonderes Angebot aus, alle sind sehr unterschiedlich aufgestellt. Das kommt auch den Coworker*innen zugute, die sogar zielgruppenorientiert nach Coworking Spaces suchen können. So wie beim Kunstraum Elsa, der Raum für Künstler*innen bietet, oder Natives. Die Sprachagentur, die u. a. Lektorate, Coaching oder Übersetzungen anbietet, vermietet auch Arbeitsplätze. Oder COSI, ein neuer Coworking Space, der sich an Coaches, Therapeut*innen, Mediator*innen, Supervisor*innen – kurz alle Menschen, die „Beziehungsarbeit“ leisten – richtet. Zu den ersten Anbietern von Coworking Spaces zählen dagegen TOR12 und Coworking Bielefeld. Mit ihren Spaces Coworker/innen sprechen sie Interessierte vom Freelancer bis zu hin zu kleinen Unternehmen an. Der Pioneers Club zeichnet sich wiederum als großer Coworking Space für Startups mit digitalen Geschäftsmodellen durch sein Vermietungs- und Qualifizierungsprogramm aus und fördert Synergien zwischen Mittelstand und Startups. Die G16 Lounge bietet Einzelbüros oder Bürogemeinschaft für Startups, Entrepreneure und Kreative an.
Vera Wiehe: Homeworker*innen gehen nicht unbedingt in Coworking Spaces. Freelancer, Kreative, Gründer*innen oder Mikrounternehmen nutzen diese Arbeitsform, die immer auch die häufig benötigte Flexibilität mit sich bringt. Allerdings gibt es auch beim Coworking inzwischen einen Trend zur Verstetigung. Hyperflexible Angebote von nur einigen Tagen im Workspace sind seltener geworden und werden weniger genutzt. In den Spaces hat sich eine eigene Kultur und Arbeitsweise mit Stabilität entwickelt.
Vera Wiehe: Das ist schwierig zu beantworten. New Work kann ein Teil der Unternehmensstrategie sein, um Synergien im Innovationsbereich zu entwickeln. Dabei muss man aber für einen vernünftigen Rückfluss ins Unternehmen sorgen. Das ist auch abhängig davon, wie Vernetzung jenseits klassisch hierarchischer Strukturen funktioniert.
Vera Wiehe: Vor Corona sprechen die Zahlen für sich. Von 2018 bis Mitte 2020 hat sich die Zahl der Spaces vervierfacht. Gab es 2018 nur 300 Coworking Spaces, waren es im Mai 2020 – also mitten in der ersten Welle der Pandemie – bereits 1.268. Der Trend zum Coworking Space ist da. Viele Bielefelder Anbieter sind trotz Pandemie gut ausgelastet, einige nicht. Welche Auswirkungen die Corona-Pandemie auf die Coworking-Szene hat, werden wir erst in den nächsten Monaten sehen.
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