Diskussion internationaler Experten von der Deutschen Bank mit BWL-Studierenden der HSBI
Ist Künstliche Intelligenz auf dem Sprung, unsere Arbeitswelt grundlegend zu verändern? Zwei Experten der Deutschen Bank antworten darauf mit einem klaren „Jein“. In einer Vorlesung an der HSBI diskutierten Adrian Cox und Christoph Rabenseifner mit Studierenden der Hochschule Bielefeld darüber, wie GenAI in der Finanzwelt bereits eingesetzt werden kann und worauf dabei dringend zu achten ist.
Bielefeld (hsbi). Betriebswirtschaftslehre ist ein trockener Studiengang. Dieses Gerücht hält sich hartnäckig bis zum heutigen Tag. An der Hochschule Bielefeld (HSBI) mit ihrem praxisbezogenen Fokus wird es derweil jedes Semester frisch widerlegt. Dabei mischt auch Prof. Dr. Andreas Uphaus kräftig mit, im Fachbereich Wirtschaft zuständig für das Lehrgebiet Allgemeine BWL, Finanzwirtschaft und Rechnungswesen. Eines seiner Vehikel: die Veranstaltungsreihe „banks@finance-lectures.bi“.
„Mit Top-Experten des Bankenverband Bielefeld diskutieren wir brandaktuelle Themen und deren Auswirkungen auf Gesellschaft, Unternehmen und Investoren direkt in den Vorlesungen“, sagt Uphaus. Kürzlich war ein Thema an der Reihe, das in der akademischen und der IT-Welt seit einiger Zeit für besondere Furore sorgt: Generative Künstliche Intelligenz – englisch abgekürzt GenAI. Hierzu kamen zwei Referenten in die Finanzmanagement-Vorlesung, die aus der Praxis viel Neues und Aufschlussreiches zu berichten hatten. Zum einen Adrian Cox, Thematic Strategist bei Deutsche Bank Research in London sowie langjähriger Journalist bei Bloomberg und der Financial Times, zum anderen Christoph Rabenseifner, Chief Strategy Officer und Managing Director Technology Data und Innovation bei der Deutschen Bank in Frankfurt.
GenAI gestaltet Prozesse um und ist Grundlage für neue Geschäftsmodelle
Nachdem das Unternehmen OpenAI am 30. November 2022 ChatGPT für die Öffentlichkeit freigegeben hatte, wurde viel darüber spekuliert, wie Künstliche Intelligenz die Arbeitswelt verändern würde. Für Adrian Cox steht fest: „Wahrscheinlich wird in Zukunft in fast allen Jobs im Finanzbereich GenAI direkt oder indirekt eine Rolle spielen.“ Als typische Anwendungsgebiete sieht er – ganz allgemein – Bild- und Spracherkennung, Datenanalysen, Coding und Programmierung sowie Textgenerierung.
„Für den Finanzsektor ergeben sich darüber hinaus ganz spezifische Anwendungen wie Finanzmodellierung, Investmentanalysen, Portfolio-Optimierung, Prognosen, Fraud Detection und Kreditentscheidungen“, so Cox. „GenAI kann dabei für einzelne Aufgaben genutzt werden, ganze Prozesse umgestalten helfen oder sogar Grundlage für völlig neue Geschäftsmodelle sein.“ Christoph Rabenseifner ergänzt: „Viel Potenzial besitzt GenAI in Sachen Optimierung und Automatisierung, wenn es etwa um Risikoerkennung, Compliance-Prüfung, Dokumenten- und Mail-Analyse, Reporting oder Datenrecherche geht.“
Mehr Sicherheit durch KI: GenAI kann subtile Betrugsmuster erkennen und sofort reagieren
Schon heute nutzen Banken Chatbots, um mit ihren Kunden zu kommunizieren. „Diese sind jedoch noch recht einfach gestrickt“, sagt Andreas Uphaus. „Mithilfe von GenAI könnten virtuelle Assistenten künftig jedoch auch komplexe Kundenanfragen personalisiert beantworten. Das würde Effizienz und Kundenzufriedenheit erheblich verbessern.“ Der HSBI-Professor nennt ein weiteres Beispiel: „Betrugserkennung basiert bislang auf regelbasierten Systemen, die leicht umgangen werden können, beziehungsweise auf manueller Überprüfung durch Mitarbeitende. GenAI könnte dagegen selbst subtile Betrugsmuster erkennen und durch die Analyse großer Datenmengen in Echtzeit sofort auf verdächtige Aktivitäten reagieren.“
Adrian Cox unterstreicht, dass GenAI prinzipiell einen „extrem hohen Nutzen“ generieren kann. „Dem gegenüber stehen allerdings auch große Implementierungsprobleme“, sagt er. „So sind zum Beispiel für bestimmte Fragen längst nicht immer ausreichend genaue Daten verfügbar.“ Das kann fatale Folgen haben und zu sogenannten Halluzinationen führen. Denn GenAI denken sich gerne Informationen aus, wenn sie diese in ihren Datenbeständen nicht finden, stellen unlogische Zusammenhänge her und treffen inkohärente Aussagen. „Auch viele rechtliche Fragen, zum Beispiel solche des Datenschutzes und des Urheberrechts, müssen bei der Verwendung von GenAI berücksichtigt werden“, gibt Cox zu bedenken.
Viel Zeit für den Rollout und zwingend notwendige Kontrolle durch den Menschen
Der Experte verweist außerdem auf mögliche Widerstände bei Mitarbeiter:innen. „Es beginnt bei fehlenden Qualifikationen und Veränderungen im Jobprofil und geht bis hin zur Angst um den eigenen Arbeitsplatz“, sagt Adrian Cox. „All das führt dazu, dass Gen-AI-gestützte Maßnahmen oft viel Zeit zum Rollout benötigen.“
Christoph Rabenseifner erklärt, dass GenAI-Anwendungen in der Praxis passgenau gesteuert, stets kontrolliert und besonders abgesichert werden müssten. „Mir sind Fälle bekannt, wo fehlerhafte Chatbots falsche Empfehlungen gegeben und sogar gegen Gesetze verstoßen haben“, berichtet er. „Manche haben auch mal das eigene Unternehmen kritisiert. Eine angemessene Datengrundlage für die GenAI ist also genauso wichtig wie die Überwachung durch echte Menschen.“
Mehr Chancen als Risiken? Wenige Jobs sind in Gefahr, neue entstehen
Andreas Uphaus zeigt sich angetan von der lebhaften Diskussion im Hörsaal und den Ergebnissen, die die beiden Referenten und die Studierenden gemeinsam herausarbeiten konnten: „So entstand eine Liste von konkreten Dos und Don’ts in Bezug auf GenAI-Abwendungen, die unsere Studierenden mitnehmen werden in ihre ersten Jobs nach dem Studium. Es ist einfach enorm bereichernd, wenn die Studierenden hier mit Experten sprechen, die ihr Wissen tagtäglich in die Praxis einbringen.“ Das bestätigt der Studierende Torben Gülker: „Ich finde, dass es wichtig war, diesen Vortrag gehört zu haben, um ein tiefes Verständnis der technischen Herausforderungen und Sicherheitsrisiken von KI-Systemen zu erlangen, das über den aktuellen Hype hinausgeht. Gerade auch, weil in unserem künftigen Berufsleben sehr wahrscheinlich KI-Anwendungen integriert sein werden.“
Dass Künstliche Intelligenz Menschen in der Finanzbranche überflüssig machen könnte, befürchtet keiner der Experten. „Nur wenige Jobs sind tatsächlich in Gefahr“, sagt Adrian Cox. Gleichzeitig würden dafür andere entstehen. „Der Finanzbereich erwartet aber von den Studierenden Interesse an GenAI, Experimentierfreudigkeit und Aufgeschlossenheit“, betont Christoph Rabenseifner. „Bei richtiger Anwendung ist GenAI für Gesellschaft, Unternehmen und Investierende sehr hilfreich, doch derzeit scheint mir das Thema auch etwas overhyped. GenAI kann nicht alle Probleme lösen.“
Bei diesem Text handelt es sich um eine Pressemitteilung Dritter. Für den Inhalt zeichnet sich die WEGE mbH nicht verantwortlich.
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