2. Oktober 2024
Nachhaltigkeitsberichterstattung bei Schüco

CSRD-konforme Wesentlichkeitsanalyse in der Praxis

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Jede CSRD-konforme Wesentlichkeitsanalyse ist ein Prozess. „Sie bringt definitiv viele Erkenntnisse, weil sie einen tiefen Einblick ins eigene Unternehmen gewährt“, erklärt Hannah Butz während der Green Innovation Weeks 2024 von DAS KOMMT AUS BIELEFELD. Wie sich der Weg von der Theorie in die Praxis gestaltet, machte die Corporate Sustainability Managerin der Schüco International KG gemeinsam mit Dr. Martin Granzow, Geschäftsführer der Nextra Consulting GmbH, deutlich. Für die Umsetzung der CSRD arbeitet der weltweit agierende Bielefelder Systementwickler für Fenster, Türen und Fassaden Hand in Hand mit dem Hamburger Consulting Unternehmen.

„Viele Unternehmen müssen sich auf die Reise begeben“, ist sich Martin Granzow sicher. Denn die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) betrifft, wie er es formuliert „die breite Masse des Mittelstands“. Erfüllt ein Unternehmen zwei der drei Kriterien – mehr als 250 Mitarbeitende, mehr als 50 Mio. Euro Nettoumsatzerlöse oder mehr als 25 Mio. Euro Bilanzsumme –gilt es als großes Unternehmen und ist damit berichts- und extern prüfungspflichtig. Ab dem Geschäftsjahr 2026 sind dann auch kapitalmarktorientierte KMU gefordert. Durch die neuen Berichtpflichten wird der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen erweitert. In Deutschland sind schätzungsweise 15.000 Unternehmen – EU-weit sogar 50.000 – betroffen. Sie müssen die Nachhaltigkeitsinformationen in ihren Lagebericht integrieren. 12 European Sustainability Reporting Standards (ESRS) spezifizieren die konkreten Inhalte der Berichterstattung. „Es ist kein dünnes Brett, was es zu bohren gilt“, wie Martin Granzow feststellt, „zumal in einigen berichtspflichtigen Unternehmen oft nur kleine oder sogar gar keine Nachhaltigkeitsabteilungen existieren.“

Die ganze Gruppe mitnehmen

Hannah Butz

Bereits 2017 veröffentlichte Schüco seinen ersten Nachhaltigkeitsbericht. „Die bisherigen Berichte mussten wir nicht prüfen lassen und trotzdem war die Erstellung jedes Berichtes eine Herausforderung“, resümiert Hannah Butz, die die letzten beiden Nachhaltigkeitsberichte bei Schüco verantwortete. Ab 2025 ist das Unternehmen, das bisher freiwillig nach der Global Reporting Initiative (GRI) berichtete, auch berichtspflichtig. Ihr Arbeitsschwerpunkt konzentriert sich seit diesem Jahr deshalb auf die internationale Umsetzung der CSRD für die Schüco Gruppe. Für die damit verbundene Herausforderung findet Hannah Butz ein plastisches Bild: „Schüco, das ist Legotechnik für Große. Die Werkstoffe und Systeme sind vielfältig. Das Bauen übernimmt zwar ein anderer, aber die Bewertung endet nicht am eigenen Werkstor.“

Die Wesentlichkeitsanalyse ist ein Prozess

Seit dem European Green Deal, der ein signifikanter Treiber war, sind zahlreiche Regulierungsinitiativen in Kraft getreten, von der EU-Taxonomie in 2022 bis zur CSRD 2023. „Die Regulierungsinitiativen umfassen die ESG-Themen Umwelt, Soziales und Governance. Ein Fokus der Regulatorik liegt dabei auf den Offenlegungs- beziehungsweise Sorgfaltspflichten für Unternehmen“, fasst Martin Granzow das Paket zusammen. Verpflichtend für alle Unternehmen sind nach den ESRS generelle Standards, die sich aus Allgemeinen Anforderungen (ESRS1) und den Allgemeinen Angaben (ESRS2) ableiten. Abhängig vom Ergebnis der Wesentlichkeitsanalyse sind dagegen die Themenfelder Umwelt, Soziales und Governance. „Mit der Wesentlichkeitsanalyse bestimmen Unternehmen die Inhalte ihres Nachhaltigkeitsberichts“, sagt der Consultant. Er verweist darauf, dass jede Wesentlichkeitsanalyse ein Prozess ist, bei dem qualitative Bewertungen, zur Vergabe quantitaver Scores auf Bewertungsskalen führen. „Es bleibt also eine qualitative Einschätzung, ob Themen als wesentlich zu bewerten sind und hieraus ergeben sich Argumentationsspielräume“, macht er deutlich.

Schüco, das ist Legotechnik für Große. Die Werkstoffe und Systeme sind vielfältig.

Hannah Butz

Schritt für Schritt

Der Weg zum ersten CSRD-Bericht setzt sich aus einem mehrstufigen Prozess zusammen. Reicht von der Bestandsaufnahme, der sogenannten Gap-Analyse und der Erstellung einer Themen-Longlist über Stakeholder-Dialoge, Detailanalysen und der Datenaufbereitung bis hin zur Bewertung der Wesentlichkeit unter den Gesichtspunkten Impact und Financial Materiality. „Die Gap-Analyse haben wir bereits im letzten Jahr mit der Nextra Consulting umgesetzt und so einen ersten Überblick erhalten“, erläutert Hannah Butz. „Daraus lässt sich eine Roadmap inklusive Maßnahmen und Aufwandsschätzung ableiten“, so Martin Granzow. „Da wir diesen Schritt bereits im letzten Jahr gegangen waren, sind wir in diesem Jahr mit dem Entwurf der Themen-Longlist eingestiegen“, sagt Hannah Butz. Die umfasst die Identifikation von Impacts & Dependencies mit Hilfe einer Value Chain Analyse und überführt die Ergebnisse in eine ESRS-Struktur. Als potenziell wesentlich identifizierte das Team Themen wie Klimawandel, Umweltverschmutzung, Wasser, Biologische Vielfalt und Ökosysteme, aber auch Kreislaufwirtschaft, Mitarbeitende und Beschäftigte in der Wertschöpfungskette sowie betroffene Gemeinschaften, darunter fallen u. a. die Rechte indigener Völker. „Um unsere Longlist zu finalisieren, haben wir schließlich einen internen Workshop mit unserem Sustainability Team durchgeführt“, erklärt sie das Vorgehen. In dem Rahmen standen bei Schüco vier Werkstoffe im Fokus: Alu, PVC, Stahl und Glas. „Bei allen vier Werkstoffen ergibt sich ein ähnliches Bild: Die Risiken am Anfang der Wertschöpfungskette sind ‚out of reach‘“, macht Hannah Butz deutlich. Denn alle Werkstoffe haben das Potenzial Themen, wie Umweltverschmutzung oder Menschenrechtsverletzungen zu beinhalten. „Für uns waren das keine neuen Themen, aber welche, mit denen wir uns im Rahmen von CSRD noch intensiver beschäftigen.“ „Schüco hat wahnsinnig viele Themen“, stellt Martin Granzow fest, der dafür plädiert, ein professionelles Tool zu nutzen. „Der Koordinationsaufwand ist groß. Daher sollte man die Sachkosten, die entstehen, den Personalkosten gegenüberstellen, die man sparen wird.“

Dr. Martin Granzow

Stakeholder einbinden

Im nächsten Schritt, dem Stakeholder-Mapping, entwickelte Schüco ein zielgerichtetes Dialog-Konzept und validierte die Themen-Longlist mit Stakeholdern. „Wir haben uns auf sechs Stakeholdergruppen fokussiert“, erläutert Hannah Butz mit Blick auf die Auswahl. Im Fokus steht ihr Einfluss auf das Unternehmen, der Grad der Betroffenheit bzw. der Abhängigkeit, die Erwartungen in Bezug auf Nachhaltigkeit an Schüco, aber auch das Fachwissen bzw. die Auskunftsfähigkeit in Bezug auf relevante Nachhaltigkeitsaspekte. „Wir haben einen hohen Grad der Stakeholder-Einbindung gewählt, aber es braucht auch einen gewissen Grad an Pragmatismus“, so Hannah Butz. „So haben wir stellvertretend für die Lieferanten beispielsweise den Einkauf befragt, die Gespräche aber für die Prüfer dokumentiert.“

Daten aufbereiten

Im weiteren Verlauf analysierte Schüco für die Datenaufbereitung die klimabezogenen IROs (Auswirkungen, Risiken und Chancen) und investierte in weitere Detailanalysen wie eine Klimarisikoanalyse. Beim letzten Step, der Bewertung von Impact und Financial Materiality und den sich daraus ableitenden Offenlegungspflichten dürften Themenbereiche wie Klimawandel, Umweltverschmutzung, Kreislaufwirtschaft, Mitarbeitende sowie Beschäftigte in der Wertschöpfungskette – nach einer vorläufigen Einschätzung des Unternehmens – demnach für die Wesentlichkeitsanalyse und Berichterstattung relevant sein. „Auch für nicht produzierende Unternehmen dürfte es sehr schwierig sein, das Thema Klima auszuschließen“, betont Martin Granzow. „Es ist wichtig, mit Wirtschaftsprüfer*innen an den relevanten Punkten in den Austausch zu gehen“, unterstreicht Hannah Butz, die schon jetzt eine erste Bilanz zieht: „Wir haben durch den Prozess viel gelernt. Auch, was die Herausforderungen angeht.“ Das komplexe Geschäftsmodell des Unternehmens mit seinen zahlreichen Tochtergesellschaften wird voraussichtlich viele wesentliche IROs mit sich bringen und vielfältige Blickwinkel auf verschiedene Themen.
Ein Workshop steht bei dem weltweit agierenden Unternehmen mit Hauptsitz in Bielefeld noch aus. „Mitte Oktober planen wir unsere Wesentlichkeitsanalyse abzuschließen“, so Hannah Butz.


Schüco International KG

Das 1951 gegründete Bielefelder Unternehmen beschäftigt international rund 7.000 Mitarbeitende, davon 4.000 in Deutschland, machte 2023 rund 2 Mrd. Euro Umsatz und ist in 45 Ländern mit Standorten vertreten. Seine Produkte und Services sind in mehr als 80 Ländern erhältlich. Zum Netzwerk des in Ostwestfalen gegründeten Unternehmens zählen weltweit etwa 40.000 Architekt*innen, Planende, Verarbeitende und Investierende.

www.schueco.com

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