Wie Schüco Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit wird
Dinge konsequent angehen
Green Stories
Umdenken und anfangen
Der Gebäudesektor in Deutschland ist aktuell etwa für 40 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Die Hauptursachen hierfür sind nicht nur die teilweise geringe Energieeffizienz bestehender Gebäude, sondern auch die energieintensiven Herstellungsprozesse vieler Baumaterialien. Deshalb geht man bei Schüco andere Wege, will Projekte ganzheitlich von A bis Z zu Ende denken und Neues probieren.
Das Bielefelder Unternehmen, einer der Technologieführer für Gebäudehüllen und weltweit bekannt für Fenster, Türen und Fassaden, will in der Branche Vorreiter sein. Was aber ist eigentlich wirksame Nachhaltigkeit? Und wie kann der Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und Ökonomie gelingen? Wir haben bei Schüco nachgefragt und es entspann sich ein erfrischender Dialog mit Henning Jünke, Head of Sustainability und Pressesprecher Thomas Lauritzen.
Schüco will Vorreiter in puncto Nachhaltigkeit sein. Was verstehen Sie darunter?
Thomas Lauritzen: Wir wollen bis 2040 klimaneutral sein. Das ist eine große Herausforderung, das ist uns bewusst. Ein Teilziel, nämlich 30 Prozent, wird bereits 2025 fällig. Und das ist gefühlt morgen. Wir müssen die Dinge jetzt konsequent angehen, damit wir unser Ziel erreichen beziehungsweise diesem so nah wie möglich kommen. Daraus entstehen Zielkonflikte, die mit den unterschiedlichsten Fachabteilungen diskutiert und gelöst werden müssen. Denn was ökologisch gut ist, muss nicht immer wirtschaftlich erfolgreich sein und umgekehrt. Im Grunde geht es darum, zukünftig neben Zeit, Kosten und Qualität die vierte Dimension Nachhaltigkeit in allen Entscheidungen mit zu berücksichtigen. Wir wollen bei Schüco und in der Baubranche das Thema Nachhaltigkeit dadurch auf ein anderes Level heben.
Henning Jünke: An den Unis wird immer noch der Triple-Bottom-Line (TBL)-Ansatz gelehrt. Demnach handelt ein Unternehmen nachhaltig, wenn wirtschaftliche, umweltbezogene als auch gesellschaftliche Ziele gleichrangig verfolgt werden. Das greift nach den heutigen wissenschaftsbasierten Erkenntnissen allerdings zu kurz. Denn wenn die planetaren Grenzen überschritten sind, dann haben wir nichts mehr, auf dessen Basis wir wirtschaften oder Gesellschaften funktionieren können. Deshalb müssen wir weiter gehen und betrachten Nachhaltigkeit bei Schüco ganzheitlich. Bei den Produkten analysieren wir die Lieferkette und fragen uns, welche Auswirkungen sie auf Umwelt, Mitarbeitende und Gesellschaft haben. Das ist das Spannende bei Schüco, mit unseren Produkten können wir die Energieeffizienz von Gebäuden und Städten steigern. Unsere Produkte tragen aktiv dazu bei Klimaschutzziele zu erreichen. Ein nachhaltiger Effekt. Deshalb stehen wir in der Verantwortung, alle Bereiche zu berücksichtigen. Ein nachhaltiges Produkt ist für uns eines, das auch kreislauffähig ist. Ob wir am Ende unsere gesteckten Ziele erreichen, wissen wir noch nicht. Es gibt keine Blaupause, aber wir müssen alles daransetzen, um es zu versuchen.
Sie sagten, Ihre Produkte müssten kreislauffähig sein. Was meinen Sie damit?
Thomas Lauritzen: Wir arbeiten bei unseren Produkten Fenster, Türen und Fassaden überwiegend mit den Materialien Aluminium und Kunststoff. Das kostet erst mal viel Energie. Wenn wir Aluminium aber recyceln, können wir das Material mehrfach mit geringem Energieaufwand und ohne Qualitätsverlust verwenden. Gebäude sind in puncto Aluminium unsere größten Rohstofflager der Zukunft. Deutschland hat keine Rohstoffe. Deshalb ist es dringend notwendig, und das haben wir besonders zu Beginn der Corona-Pandemie gemerkt, sich unabhängiger von Zulieferern, beispielsweise aus China, zu machen. Außerdem stehen wir mit der Automobilbranche im Wettbewerb um Aluminium, die daraus z. B. Chassis und Motorblöcke fertigen. Sind unsere Produktsysteme so konstruiert, dass man sie auch aus-, wieder einbauen und sortenrein trennen kann, dann bleibt das Material im Kreislauf – cradle to cradle. Um diese nachhaltige Strategie durchzusetzen, tauschen wir uns mit den Fachabteilungen aus und entwickeln z. B. mit der Technik Ansätze, um ein Produkt anders zu konstruieren, damit es kreislauffähig ist. Dabei kommt es zu Diskussionen, die wichtig sind. Wir listen die Pros und Cons auf und treffen dann eine Entscheidung. Denn es geht nur gemeinsam. Ich hätte gern in jeder Abteilung einen Mitarbeiter, der so richtig für die Sache brennt. Der das Rückgrat hat, Konflikte mit unserer Unterstützung auszufechten und somit im positiven Sinne Vorbild ist.
Eine große Herausforderung in puncto Nachhaltigkeit ist die Herstellung von Aluminium. Das ist ein langwieriger Prozess, aber umso wichtiger ist es, jetzt damit zu beginnen.
Mittlerweile haben wir 48 Systeme, die nach dem Cradle-to-cradle-Standard zertifiziert sind. Eine große Herausforderung in puncto Nachhaltigkeit ist die Herstellung von Aluminium. Das ist ein langwieriger Prozess, aber umso wichtiger ist es, jetzt damit zu beginnen.
Und Ihre Ergebnisse legen Sie offen?
Thomas Lauritzen: Wir wollen unsere Bemühungen transparent machen. Damit haben wir im Januar 2017 mit unserem ersten Nachhaltigkeitsbericht, der die Jahre 2015/16 umfasst, begonnen. Alle zwei Jahre veröffentlichen wir diesen Report und stellen die Ergebnisse für jeden zugänglich auf unsere Website. Wir sagen offen, wenn es etwas nicht klappt. Wir haben ein Interesse daran, dass wir und andere daraus lernen. Wenn unser Ziel lautet, im Jahr 2025 eine 30-prozentige Reduktion erreichen zu wollen und landen schließlich bei 28 Prozent, dann kann das trotzdem gut sein. Auch wenn wir unser Ziel noch nicht ganz erreicht haben. Wir wollen Vorreiter sein und möchten andere Unternehmen und Menschen inspirieren. Wir wollen zeigen, auch wenn man vielleicht nicht immer alles sofort richtig macht, dass es aber wichtig ist, sich spätestens jetzt auf den Weg zu machen. Im nächsten Jahr wird hier in Bielefeld auf unserem Firmengelände unser neues Gebäude fertiggestellt. Und zwei Jahre später werden wir es auf den Prüfstand stellen. Ist es so nachhaltig, wie wir uns das vorgestellt haben, wenn 150 oder 200 Menschen dort arbeiten? Sommers wie winters? Und wenn wir Fehler gemacht haben, dann sprechen wir das offen an. Nur so kann man lernen.
Haben Sie da ein Beispiel vor Augen?
Thomas Lauritzen: Ich denke da an ein Messegebäude, bei dem Dinge nicht ganzheitlich und nicht zu Ende gedacht wurden. Aus ästhetischer Sicht ist der Bau mit vielen Glasfronten und der Kuppel sehr schön, aber für den Betreiber sehr aufwendig. Allein das Reinigen der Glaselemente nimmt zwei Wochen in Anspruch. Vögel mit ihren Hinterlassenschaften sind ein Problem, denn der Kot greift die Dichtungen an. Da die Tiere aus Naturschutzgründen nicht fortgejagt werden dürfen, hat man Falken als natürliche Feinde angesiedelt, um das Problem zu beseitigen. Das zeigt, dass man bei Gebäuden immer das Ganze sehen muss, also nicht nur den Bau, sondern auch das Betreiben und die Menschen, die später ein Gebäude benutzen.
Wir wollen bis 2040 klimaneutral sein.
Wie groß ist die Abteilung „Nachhaltigkeit“ bei Schüco?
Thomas Lauritzen: Wir sind zu dritt, und mehr als fünf bis sechs Mitarbeitende sollen es aus jetziger Sicht auch nicht werden, denn wir möchten das Thema in allen Abteilungen verankern. Das muss ins tägliche doing. Die ganze Belegschaft soll mitziehen. Mit Andreas Engelhardt an der Unternehmensspitze wird allen Schüco-Mitarbeitern vorgelebt, dass Nachhaltigkeit nicht eine bloße Absichtserklärung, sondern eine Haltung ist. Andreas Engelhardt ist – wie übrigens auch Hinrich Mählmann, geschäftsführender und persönlich haftender Gesellschafter unserer Muttergesellschaft, die Otto Fuchs KG – Mitglied der Stiftung 2°. Das ist eine Initiative deutscher Vorstandsvorsitzender, Geschäftsführer und Familienunternehmer, die die durchschnittliche globale Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius beschränken will.
Henning Jünke: Die Nachfragen und das Feedback von Seiten der Mitarbeiter steigen. Dabei geht es auch um unser WWF-Engagement. Mit seinem Sponsoring unterstützt Schüco die Arbeit des WWF im Amazonas-Gebiet, wo das Ökosystem und der Lebensraum für viele Arten unter anderem durch Abholzung und illegalen Bergbau bedroht sind. Aber wir gehen über das reine Sponsoring hinaus. Mit dem WWF arbeiten wir seit August 2018 partnerschaftlich zusammen, um einen Beitrag zu nachhaltigem Wirtschaften zu leisten. Ökologisch positive Einflüsse der Unternehmenstätigkeit im Gebäudebereich sollen verstärkt und negative Auswirkungen weiter reduziert werden. Im Fokus der Zusammenarbeit stehen dabei Klimaschutz und eine verantwortungsvolle Ausrichtung von Rohstoff-Lieferketten, um das angestrebte 1,5°C-Limit des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen.
Oft wird Unternehmen „Greenwashing“ unterstellt …
Thomas Lauritzen: Das kann ich mit Blick auf unsere Aktivitäten klar verneinen. Seit 2006 beschäftige ich mich hier bei Schüco mit Nachhaltigkeit. Jährlich werden die CO2-Emissionen durch den Energieverbrauch für Strom, Kühlung und Beheizung aller Gebäude, für Transportlogistik, Dienstreisen und den Weg zur Arbeit sowie für Papier- und Druckerzeugnisse erfasst. Alle erhobenen Primärdaten werden vom TÜV NORD CERT überprüft. Nur ein Beispiel: Um die Emissionen im Transportwesen zu reduzieren, haben wir unsere Lkw auf eine Geschwindigkeit von 80 km/h gedrosselt und mit unseren Fahrern ein Training absolviert. Wer vorausschauend fährt, verbraucht weniger Sprit und schont die Umwelt. Umsetzen müssen das allerdings die Mitarbeiter. Bereits 2012 haben wir auf grünen Strom umgestellt. Damit ist es gelungen, die strombezogenen Emissionen auf weniger als 10 Prozent des bisherigen Wertes zu senken. Weitere Maßnahmen betreffen den Papierverbrauch und die Druckerzeugnisse. Wir haben anders als viele andere Unternehmen eben nicht mit Kompensationen in Form von Baumpflanzaktionen oder Zertifikaten gearbeitet, sondern aktiv an der Reduktion unserer Emissionen gearbeitet. Allerdings gibt es im Bereich Mobilität immer noch Luft nach oben, wenn ich beispielsweise an unsere Autovermietung denke. Wir möchten nur Fahrzeuge mieten, die weniger als 160 g CO2/km verbrauchen. Der Vermieter sagt, dass er das nicht leisten könne. Da haben wir wieder einen Zielkonflikt, den wir lösen wollen und werden.
Henning Jünke: Am Beispiel Mobilität sehen wir auch wieder, dass wir das Thema ganzheitlich betrachten müssen. Normalerweise würden wir unseren Mitarbeitenden empfehlen, mit der Bahn zu fahren. Aber können wir das in Corona-Zeiten tun? Eher nicht. Und nur weil etwas biobasiert ist, muss es letztlich – wenn man den kompletten Lebenszyklus betrachtet – in der Summe nicht unbedingt ökologisch gut sein. Nachhaltiges Handeln ist ein lebendes System, bei dem wir immer wieder nach Möglichkeit alle Parameter betrachten, um eine gute Entscheidung treffen zu können.
Als international tätiges Unternehmen, gibt es aus Ihrer Sicht Länder, in denen das Thema Nachhaltigkeit einen höheren Stellenwert einnimmt?
Thomas Lauritzen: In Deutschland sind nach wie vor wirtschaftliche Überlegungen am stärksten ausgeprägt, wenn es um Entscheidungen für oder gegen ein Produkt geht. Dabei werden aber häufig nicht alle Kosten miteinbezogen. Man darf nicht nur die Baukosten für ein Gebäude betrachten. Es gilt, die Dinge zu Ende zu denken. Gebäude und Bauprodukte müssen im Hinblick auf ihren gesamten Lebenszyklus betrachtet werden. Visuelle, thermische, akustische, ergonomische und hygienische Aspekte beeinflussen die Gesundheit und Wohlbefinden ihrer Nutzer. Wenn also nachweislich der Krankenstand der Mitarbeitenden in einem Gebäude steigt, sind das Kosten, die miteingerechnet werden müssen, damit eine saubere Bilanz gezogen werden kann. In den Niederlanden ist man da schon weiter. Da spielen die reinen Baukosten nicht immer die primäre Rolle.
Henning Jünke: In Deutschland verursachen Gebäude etwa 40 Prozent der CO2-Emissionen. Wenn wir diesen Wert senken können, ist das ein großer Fortschritt. Hemmend ist in diesem Zusammenhang der in vielen Bereichen herrschende Sanierungsstau. Unsere Produkte sind beim Bau nur ein Teil des Komplexes. Aber sie tragen dazu bei, dass Gebäude nachhaltig zertifiziert werden können. Ich denke, dass bei der Frage von nachhaltigen Entwicklungen in der Baubranche der Gesetzgeber noch mehr in Richtung Klima- und Umweltschutz regulieren und auch investieren muss.
In den Niederlanden ist die Regulierung bereits stärker ausgeprägt als bei uns und die Schüco Kollegen dort denken schon viel weiter. Wenn wir den European Green Deal ernst nehmen, bis 2050 in der Europäischen Union die Netto-Emissionen von Treibhausgasen auf null zu reduzieren und somit als erster Kontinent klimaneutral zu werden, dann wird es europaweit mehr Regulierungen geben. Ermutigend fand ich, dass das milliardenschwere Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket der Bundesregierung Zukunftsinvestitionen und Investitionen auch in Klimatechnologien fördert und unterstützt. Es wird eben zukünftig nicht in die teilweise veraltete Automobilbranche investiert – und das im Autoland Deutschland.
Thomas Lauritzen: Wolfgang Schäuble hat in einem Interview gesagt, dass die Corona-Krise auch eine große Chance sein kann. Die Politik muss jetzt anders handeln, aber auch diese nachhaltigen Entscheidungen konsequent zu Ende führen und aushalten. Und zwar nicht nur für eine Legislaturperiode, sondern auf Dauer.
Haben Sie Sorge, dass durch die Corona-Krise der Klimaschutz ins Stocken gerät?
Henning Jünke: Nein, ganz im Gegenteil. Am 1. März 2020 habe ich die Position als Head of Sustainability angetreten, wenig später hatten wir den Lockdown. Da fragt man sich schon wie wichtig man als Bereich eigentlich für das Unternehmen ist. Andreas Engelhardt hat aber ganz klar signalisiert, dass wir mit dem Klimaschutz nicht fünf Jahre warten können. Es sei gerade jetzt wichtiger denn je, aktiv zu handeln. Dass es auch vielen Arbeitnehmern wichtig ist, für ein Unternehmen zu arbeiten, das ökologisch handelt, habe ich gerade erst mitbekommen. Ein neuer Mitarbeiter ist unter anderem aus diesem Grund von BMW zu Schüco gewechselt. Durch meine frühere Tätigkeit für Greenpeace Energy bin ich schon früh mit dem Cradle-to-cradle-Ansatz von Prof. Dr. Michael Braungart, der zuerst von Ingenieuren nicht ernst genommen wurde, in Kontakt gekommen. Bei Schüco ist die Kreislauf-Philosophie die Basis aller Produktentwicklungen. Mit bislang 44 Silber-zertifizierten Systemen ist Schüco mit Abstand Vorreiter bei der Umsetzung des C2C-Prinzips im Gebäudesektor. Dabei kosten die zertifizierten Systeme übrigens keinen Cent mehr.
Apropos: Wir sprachen über den Spagat von Ökologie und Ökonomie. Lässt sich mit klimafreundlichen Produkten der Umsatz steigern?
Thomas Lauritzen: 2019 auf der Messe in München haben wir unsere 44 zertifizierten Systemen vorgestellt; ein halbes Jahr später haben wir damit bereits 45 Prozent unseres Umsatzes gemacht. Dem Vertrieb war es vielleicht noch nicht einmal bewusst, dass sie Produkte nach dem C2C-Prinzip verkaufen. Das sind größtenteils bereits unsere Standardprodukte. Letztlich entscheiden Investoren darüber, wie nachhaltig gebaut wird. An diese wollen wir verstärkt mit den richtigen Argumenten herantreten. Das geht auch über die Themen Vermietbarkeit, Wiederverkauf und Wiederverwertbarkeit. Und darum, ein Projekt vom Anfang bis zum Ende zu denken. Neben dem Faktor Gebäudebau ist die Betrachtung des gesamten Gebäudezyklusses inkl. der Nutzer essentiell für die Entscheidungsfindung eines Investors.