Unsere Gesellschaft erlebt eine neue soziale Revolution. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf Unternehmen. Besonders bei der Fachkräftegewinnung, denn Mitarbeitende und Kunden befassen sich zunehmend mit dem Sinn und der Vision von Unternehmen und deren Wertekonsens. Bielefelder Unternehmen sind da bereits gut aufgestellt. Denn der starke Mittelstand der Stadt wird, mehr als in anderen Städten, von familien- und inhabergeführten Unternehmen geprägt und hier sind diese Themen traditionell von Bedeutung.
Geschäftsführer von Territory Embrace und Keynotespeaker der Employer Branding Werkstatt 2019 in Bielefeld.
In Zeiten des Wettbewerbs um Fachkräfte und Talente ist Employer Branding ein heißes Thema. Es ist jedoch auch ein weiter Begriff. Bitte ordnen Sie Ihn doch einmal ein und sagen uns was für Sie persönlich Employer Branding bedeutet.
Meiner Meinung nach gibt es drei zentrale Begriffe, die oft verwechselt werden: Employer Branding, Personalmarketing und Recruiting. Diese Begriffe werden oft verwechselt oder synonym genutzt. Es handelt sich aber tatsächlich um klar abgrenzbare Themen.
Es geht beim Employer Branding darum, herauszuarbeiten, wofür ein Arbeitgeber steht und warum sich ein Arbeitnehmer eben für die Firma A und nicht für B oder C entscheiden sollte. Im Kern handelt es sich bei der Entwicklung einer Employer Brand und strategische Markenarbeit. Das Ergebnis eines Employer Branding Prozesses ist die Arbeitgeberpositionierung inklusive Kreativ- und Kommunikationskonzept. Wie sieht die Arbeitgebermarke aus, welche Werte werden in der Kommunikation gespielt, welchen Claim gibt es gegebenenfalls? – Das sind weitere Fragen, die im Employer Branding beantwortet werden.
Auf Grundlage dieser strategischen Markenarbeit erfolgt dann im Personalmarketing die Operationalisierung der Employer Brand (Arbeitgebermarke): welche Zielgruppe erhält welche Arbeitgeberbotschaften über welchen Personalmarketingkanal? – Dies beinhaltet den konkreten Kommunikations- und Maßnahmenplan und die Umsetzung.
Recruiting schließlich ist das Ziel von Employer Branding und Personalmarketing. Es geht darum, die richtigen Mitarbeiter für einen Arbeitgeber zu begeistern und dann einzustellen. Ergänzen kann man dann noch den Begriff Retention: die richtigen Mitarbeiter auch im Unternehmen behalten. Auch hierbei spielen Employer Branding und Personalmarketing eine Rolle, denn natürlich muss auch die interne Arbeitgeberkommunikation bedacht werden.
Was macht denn eine gute Arbeitgebermarke aus und was zeichnet eine gute Personalmarketingkampagne aus?
Eine gute Arbeitgebermarke ist glaubwürdig und erweckt bei den richtigen Zielgruppen Interesse an dem entsprechenden Arbeitgeber. Hier unterscheiden sich auch Produktmarketing und Arbeitgebermarketing, denn das Thema Authentizität spielt im Employer Branding eine weitaus größere und gewichtigere Rolle. Immerhin wird ein neuer Arbeitgeber für einen Mitarbeiter Teil dessen eigener Lebensgeschichte. Die Wahl eines Arbeitgebers ist mithin eine gewichtigere Entscheidung als die für eine neue Hose oder ein neues Auto. Und über Plattformen wie kununu oder glassdoor lässt sich heutzutage schnell herausfinden, ob die Versprechungen in Personalmarketingkampagnen in der betrieblichen Praxis auch eingehalten werden.
Eine gute Personalmarketingkampagne erreicht die vorher definierte Zielgruppe auf den jeweils relevanten Kanälen. Schüler erreicht man logischerweise über deutlich andere Kanäle als beispielsweise Berufserfahrene. Und: eine gute Personalmarketingkampagne erreicht die vorab definierten Ziele.
Was sind die größten Stolpersteine auf dem Weg zur erfolgreichen Arbeitgebermarke?
Zu wenig Bewusstsein bei den top Entscheidern im Unternehmen für die Relevanz dieses Themas. Angesichts der demographischen Entwicklung und der nahezu überall stattfindenden digitalen Transformation wird der Druck, die richtigen Mitarbeiter zu finden und zu halten, immer größer. Aber viele Entscheider sind in gänzlich anderen Zeiten beruflich sozialisiert worden. Vielen fehlt das Bewusstsein dafür, dass es heutzutage eine ganz andere Transparenz über Arbeitgeber gibt und dass bestimmte Zielgruppen sich heute den Arbeitgeber aussuchen können und nicht umgekehrt. Das betrifft inzwischen bei weitem nicht mehr nur die IT Branche. Auch im Pflegebereich, in der Logistik oder im Handwerk ist der Fachkräftemangel allgegenwärtig.
Aus diesem mangelnden Bewusstsein ergibt sich, dass für Produktmarketing gänzlich andere Budgets in die Hand genommen werden als für das Personalmarketing. Dies wird sich in den nächsten Jahren mit Sicherheit ändern. Die Budgets und die personelle Ausstattung der HR Abteilungen müssen sich definitiv ändern, wenn man die besten Mitarbeiter für das eigene Unternehmen gewinnen möchte.
Wie können mittelständische Unternehmen ohne größere Ressourcen Employer Branding erfolgreich umsetzen? Was erwidern Sie den Skeptiker*innen, die sagen, dass Employer Branding nur etwas für die ganz Großen ist?
Den Skeptikern erwidere ich, dass es sie gegebenenfalls mittelfristig nicht mehr geben wird, wenn sie die Relevanz des Themas nicht begreifen. Und ohne größere Ressourcen wird es schwierig. Definitiv werden Unternehmen – gleich welcher Größenordnung – mehr investieren müssen, um die bestmöglich passenden Mitarbeiter zu finden und zu halten. Mit den in den meisten Unternehmen aktuell vorherrschenden personellen und finanziellen Ressourcen ist das nicht zu schaffen.
Mal ganz persönlich: Sie befassen sich seit vielen Jahren mit Employer Branding und angrenzenden Themen. Was fasziniert sie daran und welche Trends erwarten Sie hier für die nächsten Jahre?
Ehrlich gesagt hätte ich vor 20 Jahren jeden für verrückt erklärt, der mir gesagt hätte, dass ich mich heute immer noch mit diesem Themenfeld auseinandersetze. Aber durch die Digitalisierung hat sich gerade im Personalmarketing und Recruiting unglaublich viel verändert. Print-Stellenanzeigen spielen heute eine untergeordnete Rolle, alles findet online statt und wird sich mit neuen technischen Möglichkeiten weiter rasant verändern. Social Media hat Kommunikation und damit eben auch Arbeitgeberkommunikation fundamental verändert. Durch die demographische Entwicklung bekommen wir in vielen Branchen zunehmend dramatische Personalengpässe. Und Themen wie Ausbildungsmarketing sind erst in den letzten Jahren wirklich relevant geworden. So kann ich sehr viele Veränderungen aufzählen und damit bleibt das Thema einfach spannend.
Wir befinden uns mitten in einem gesellschaftlichen Wandel, in dessen Zuge Themen wie Sinnhaftigkeit und Wertekonsens zunehmende auch für Mitarbeiter an Bedeutung gewinnen. Welche Auswirkungen hat das aus Ihrer Sicht auf das Employer Branding?
Ich habe es oben schon angedeutet: Authentizität spielt eine große Rolle. Darüber hinaus erleben wir gesellschaftlich eine deutliche Veränderung. Sinnhaftigkeit oder neudeutsch Purpose wird immer relevanter, gerade bei jüngeren Leuten. Wir sehen das beispielsweise an der Klimabewegung oder an politischen Verschiebungen, siehe Europawahl. Die Frage nach dem Sinn spielt gerade im Employer Branding auch eine gewaltige und zunehmende Bedeutung. Ob ich für einen Rüstungskonzern oder für ein mittelständisches Unternehmen für die Erzeugung umweltfreundlicher Energien arbeite, macht für die meisten Menschen halt schon einen großen Unterschied. In unseren Employer Branding Projekten geht es strategisch zumeist um die Frage: Warum sollte ich ausgerechnet für dieses Unternehmen und nicht für ein anderes arbeiten? – Ein großer Teil der Antwort ist die Sinnhaftigkeit, die Frage nach dem Warum. Klar, auch andere Faktoren wie Gehalt oder Arbeitszeiten spielen eine große Rolle. Aber das Sinn-Argument bekommt in den letzten Jahren definitiv eine höhere Gewichtung.
Haben Sie abschließend noch einen Tipp für alle, die gerade für sich versuchen das komplexe Thema Employer Branding in ihren Unternehmen zu platzieren?
Mein wichtigster Tipp ist: schaffen Sie bei den top Entscheidern Awareness für die Relevanz des Themas. Stellen Sie sicher, dass die Notwendigkeit von Employer Branding und Personalmarketing verstanden wird.
Argumentieren Sie mit Beispiel-Cases und mit Zahlen.
Für das eigene Hintergrundwissen gibt es viele Möglichkeiten, sich Wissen anzulesen. Es gibt eine ganze Reihe Blogs zum Thema und auch entsprechende Fachbücher. Darüber hinaus lohnt es sich, sich auf Veranstaltungen zum Thema mit anderen Experten zum Thema zu vernetzen. Und es lohnt sich durchaus auch, mal mit der einen oder anderen Agentur zu sprechen.