Mit einer persönlichen Vorstellungsrunde leitete WEGE-Prokuristin Brigitte Meier das 14. virtuelle DKAB-Partnertreffen ein und gab damit gleich zu Beginn einen im virtuellen Setting bedeutsamen Aspekt Raum: zwischenmenschliche Beziehungen und Bindungen. Sie müssen – auch im digitalen Raum – gepflegt werden. Das ist eine von vielen Erkenntnissen nach einem Jahr, in dem die Corona-Pandemie die Digitalisierung der Arbeitswelt massiv beschleunigt hat.
Das Führen von Teams auf Distanz ist längst zur Normalität geworden. Fest steht: Virtuelle Teamarbeit bringt im Vergleich zur Face-to-Face Interaktion Vorteile mit sich. Sowohl für Arbeitgeber*innen als auch für Arbeitnehmer*innen. So profitieren Führungskräfte von der flexiblen Einbindung von Expertise unabhängig von Zeit und Raum. Aber auch die Zusammenarbeit international agierender Teams über Standorte und Zeiträume hinweg ist einfacher. Arbeitnehmer*innen profitieren dagegen von Spielräumen bei der Arbeitsgestaltung, einer guten Work-Life-Balance und einer Gestaltung der Arbeit nach dem persönlichen Biorhythmus. Positiv sind virtuelle Arbeitsplätze darüber hinaus für diejenigen, die aus gesundheitlichen oder familiären Gründen mobil eingeschränkt sind. „Allerdings gibt es auch Nachteile“, erklärt Prof. Dr. Natalie Bartholomäus, die über mehrjährige Praxiserfahrung als Trainerin und Coach für Führungskräfte verfügt. Aus Sicht von Führungskräften werden zum Beispiel wichtige Informationen oft nur unzureichend geteilt, wichtige soziale Funktionen kommen zu kurz und auch das rechtzeitige Erkennen von Konflikten ist für sie schwieriger. Arbeitnehmer*innen empfinden dagegen die ständige Erreichbarkeit in digitalen Arbeitskontexten belastend und der Spagat zwischen Homeoffice, Homeschooling und Kinderbetreuung führt zu Konflikten. Überforderung durch zunehmende Selbstorganisation und Eigenverantwortung ist die Folge. Natalie Bartholomäus und Claire Scollar führten den Zuhörer*innen allein durch die Auflistung dieser Vor- und Nachteile plastisch vor Augen, wie komplex das Führen auf Distanz ist.
Eine wichtige Frage ist für Natalie Bartholomäus daher, welche Kompetenzen Führungskräfte mitbringen müssen, um die virtuelle Zusammenarbeit von Teams effektiv zu gestalten. „Ziel unserer Studie war es, die Erfolgsfaktoren des Remote-Leadership am Beispiel der Telekommunikationsbranche zu identifizieren. Wir haben die Effektivität von Führungsverhalten ökonomisch basiert gemessen, um herauszufinden, welches Führungsverhalten besonders effektiv ist“, betont die Wissenschaftlerin, die sich in ihrer Forschung mit der Kompetenzdiagnostik und -entwicklung von Führungskräften beschäftigt. „Als der Shift zum Homeoffice kam, haben wir unsere ganze Energie in das Erlangen von Erkenntnissen im Bereich ‚Remote-Leadership‘ gelegt“, fügt Claire Scollar mit Blick auf rund 6.000 geführte Gespräche hinzu. Ein Fazit ist: Die Führungskräfte müssen nun im Besonderen darauf achten, was das Team braucht und welche Erfolgsfaktoren zählen.
Ein Rückblick: Ging es im Frühjahr 2020 im ersten Lockdown zunächst darum, alles am Laufen zu halten, machte sich im Herbst des Jahres bei vielen eine abwartende Haltung breit. Ganz nach dem Motto: Irgendwie läuft es. Inzwischen ist das Frühjahr 2021 angebrochen und die Frage „Wie geht es denn nun richtig?“, wird immer lauter.
„Die Chronologie des letzten Jahres zeigt, dass es keine Rückkehr zum alten Status quo geben wird und damit muss auch das Führen von Teams auf Distanz hinterfragt, evaluiert und trainiert werden“,
macht Natalie Bartholomäus deutlich.
Basierend auf wissenschaftlichen Studien der FH-Bielefeld liegen inzwischen Ergebnisse vor. Die wichtigsten Handlungsfelder im Remote-Leadership wurden isoliert. Daraus lassen sich vier Handlungsfelder für Führungskräfte ableiten: Pragmatismus, Team-Commitment, Veränderungsorientiertes Führen und Expertenorientiertes Führungsverhalten lauten die Soll-Kompetenzen zur wirksamen virtuellen Zusammenarbeit. „Wer Remote-Teams erfolgreich aufstellen will, sollte sich daher näher mit diesen vier Feldern beschäftigen“, schlussfolgern Natalie Bartholomäus und Claire Scollar, die der DKAB-Community die vier Handlungsfelder im Detail erläuterten.
Dabei steht Pragmatismus keineswegs für pragmatisches Handeln. „Vielmehr geht es darum situativ Lösungen zu suchen, die für eine bestimmte Zeit gelten. Diese Art zu führen ermöglicht Wachstum“, macht Clarie Scollar deutlich. Fehler zu machen – als Führungskraft aber auch als Beschäftigte – müsse man akzeptieren und als solche benennen. „Sie sind in diesem Kontext Lernchancen und Lernchancen sind wünschenswert.“ Beim Team-Commitment geht es wiederum darum, dass Wir-Gefühl von Teams zu stärken, um den Sinn für das gemeinsame Tun, den Purpose, zu schärfen. „Was müssen, sollen und wollen wir erreichen?“, lautet die Frage. Wichtig zu wissen: Ein Teamerfolg entsteht durch das Engagement einzelner Mitarbeitenden für die Teamziele. „Für die Führungskräfte besteht die Herausforderung darin, Identifikation und Zusammengehörigkeitsgefühl durch einen entsprechenden Führungsstil zu schaffen, denn im Mobile Working hat das Team nicht so viele Möglichkeiten dazu“, so Claire Scollar.
Ebenso spannend ist das Handlungsfeld des veränderungsorientierten Führens. „Bisher haben Planung und Kontrolle unser kulturelles Leitbild geprägt“, so Natalie Bartholomäus. „Deutschland hat einen hohen Unsicherheitsvermeidungsindex. Risiken werden auf Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens berechnet.“ Doch die Mehrheit der Mitarbeitenden und der Führungskräfte heißen Veränderungen nicht willkommen, sondern empfinden sie zumindest als lästig oder als Bedrohung.
„Die Mehrheit der Menschheit ist auf Beständigkeit aus, das gilt auch für 80 Prozent der Führungskräfte. Die Suche nach Beständigkeit ist jedoch destruktiv und war auch vor der Pandemie eine Illusion.“
so Claire Scollar.
„Jetzt gilt es Ungewissheiten in großen und kleinen Kontexten in einer improvisierenden Organisation zu managen“, macht Natalie Bartholomäus deutlich. Disruptive Veränderungen wie einen Shift ins Homeoffice einzuführen und umzusetzen, erfordert daher eine Kultur, die Transparenz und kontinuierliches Feedback in alle Richtungen zulässt. Es ist ein kultureller Umbruch, mit dem wir dauerhaft umgehen müssen, weisen die Referentinnen die Richtung.
Das wohl schwierigste Handlungsfeld dürfte für Führungskräfte jedoch das expertenorientierte Führungsverhalten sein. Sie müssen beweisen, dass sie sattelfest sind und brauchen plötzlich wieder ein detailliertes Wissen über die Tätigkeiten ihrer Mitarbeitenden, um als Gesprächs- und Sparringspartner ernst genommen zu werden. „Viele Führungskräfte sind schon On-Site zu weit weg von dem, was in ihren Organisationen wirklich passiert“, so die beiden Referentinnen. „Sie müssen ihre Expertise beweisen und Vorbild sein, denn ihre Follower sind es, die sie bewerten.“ Das Gute: Die Expertise wird zwar nicht von heute auf morgen wiederhergestellt sein, aber dennoch lässt sich die Haltung, expertenorientiert zu führen, wieder schnell entwickeln.
Ein Führungskräfteentwicklungsprogramm, bei dem die Kompetenzen für das Führen auf Distanz in den vier Handlungsfeldern vermittelt werden, ist aus Sicht der beiden Referentinnen ein gutes Tool, um sich auf die vielfältigen Anforderungen vorzubereiten. „Es ist ein guter Ansatz für Unternehmen, um zu sehen, was funktioniert und was nicht und die spezifischen Herausforderungen der virtuellen Führung zu meistern“, erklärt Natalie Bartholomäus.
Mit der Frage „Was bedeuten diese Anregungen und Erkenntnisse für die eigene Situation?“ eröffnete Brigitte Meier schließlich die abschließende, lebhafte Gesprächsrunde. Die zahlreichen Beiträge zu den unterschiedlichen Handlungsfeldern ermöglichten Einblicke in die unternehmerische Praxis – quer durch alle Branchen – und lieferten vielfältige Ein- und Ausblicke.
Bitte merken Sie sich den 5. Mai von 9 bis 10.30 Uhr für das 15. Virtuelle DKAB-Partnertreffen vor.
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