„Die Entscheidung für Bielefeld haben wir ganz bewusst getroffen. Wir sehen in der Region viel Potenzial. In Berlin gibt es jeden Tag einen neuen Hype, das ist nicht unsere DNA. Das Bielefelder Ökosystem zeichnet sich durch ganz besondere Stärken aus. Statt lauter, dominieren hier eher die leisen Töne. Und: Was gesagt wird, wird gemacht“, meinte unlängst Jürgen Hase vom Company-Builder P-ton mit Blick auf die dynamische Startup-Szene in unserer Stadt. Doch Bielefeld bietet noch sehr viel mehr, warum Gründerinnen und Gründer hier an der richtigen Adresse sind. Darüber haben wir mit Dr. Astrid Schwarzer, Projektmanagerin von DAS KOMMT AUS BIELEFELD, und Hanna Drabon, Projektleiterin des Bielefelder Startup-Pakets der WEGE, gesprochen.
Warum bietet Bielefeld einen so guten Nährboden für Gründungen und Startups?
Astrid Schwarzer: Wir hatten schon immer viel Gründungsaktivität in der Stadt, doch seit die Founders Foundation 2016 und der Pioneers Club ihre Arbeit aufgenommen haben, hat das noch mal sehr viel Schwung in die Startup-Szene in Bielefeld gebracht. Auch an den Hochschulen wurde die Gründungsförderung intensiviert. Aktuell kann man beispielsweise Semalytix mit KI aus dem CITEC, das Startup Algenium mit seiner Zucht von Mikroalgen aus der Uni oder die Gründung BitVox mit Sprachassistenzsystemen aus der FH nennen.
Hanna Drabon: Vor allem der kulturelle Schwung setzte entscheidende Impulse. Es gibt diesen Spirit, der spürbar ist. Es ist eine Option geworden, auch ein Startup zu gründen. Egal ob bei Studierenden, Angestellten oder auch für die Mittelständler in der Region. Unternehmertum wird als attraktive Chance wahrgenommen, sich weiterzuentwickeln.
Möchte jemand die eigene Idee in ein Unternehmen übersetzen, findet er von vielen Seiten unkompliziert Unterstützung: Ob von der Hochschule, einem Accelerator wie der Founders Foundation oder einem Company Builder wie P-Ton, Coworking Spaces oder teilweise auch direkt beim Arbeitgeber in Intrapreneurship-Programmen. Ich freue mich, dass wir als WEGE ein weiteres Element hinzufügen dürfen, um den jungen Unternehmen den Anschluss in die regionale Wirtschaft zu vereinfachen.
Wie unterscheiden sich eigentlich Gründungen von Startups?
Hanna Drabon: Manchmal werden die beiden Begriffe synonym verwendet, das ist aber nicht ganz korrekt. Gründungen ist ein Überbegriff und Startups stehen für die Spezialisierung. Eine Gründung kann auch der Weg in die Selbstständigkeit sein, wenn jemand zum Beispiel ein Geschäft oder ein Restaurant eröffnet. Startups hingegen zeichnen sich durch ihren hohen Innovationsgrad und die Möglichkeit aus, stark zu skalieren. Das ist fast nur mit einem technologisch neuen Ansatz möglich. Wir bei der WEGE als Vertretung der Stadt probieren das aber etwas weitgefächerter zu sehen und nehmen auch soziale oder ökologische Innovation mit in unsere Definition.
Die WEGE hat ein Startup-Paket aufgelegt. Wie funktioniert das?
Hanna Drabon: Die ersten Jahre sind für fast alle Unternehmen schwer. Besonders für innovative Projekte sind diese mit viel Risiko behaftet. Hier setzen wir mit dem Bielefelder Startup-Paket ganz konkret an. Wir unterstützten mit einer Förderung in Form eines Mietzuschusses von bis zu 500 € im Monat, plus 150 € für die Nebenkosten für drei Jahre. Falls gewünscht hilft der Immobilienservice der WEGE auch bei der Suche nach passenden Räumlichkeiten. Unser langfristiges Ziel ist es nicht nur, die Startups hier wachsen zu lassen, sondern sie auch hier zu halten. Daher möchten wir sie frühzeitig mit der Bielefelder Wirtschaft vernetzen.
Dafür haben wir großartige Partner in den etablierten Organisationen gefunden, die weitere Benefits mit in das Paket packen. Beispielsweise die Volksbank, die u. a. ein kostenloses Konto hinzugibt. Dem Industrie- und Handelsclub oder dem PioneersClub, bei denen die Startups an den Events teilnehmen können oder der Techniker Krankenkasse, die kostenlos Online-Sport und Achtsamkeitstrainings zur Verfügung stellt und viele weitere Zusatzangebote von spannenden Partnern. Das macht echt Spaß und das Angebot wächst ständig weiter.
Zudem bieten einige Unternehmen ein Sparring an. In welcher Stadt ist es schon möglich als junges Unternehmen den Geschäftsführer der Handwerkskammer, den Vorstand der Sparkasse oder den Geschäftsführer eines Company Builders direkt ans Telefon zu bekommen? In Bielefeld funktioniert das und es existiert eine echte Willkommenskultur den jungen Unternehmer*innnen gegenüber.
Was mich besonders freut ist, dass auch die Startups gegenseitig verstanden haben, dass alle davon profitieren, wenn sie hier gemeinsam wachsen. Sie unterstützen sich im Netzwerk mit Tipps und Tricks, geben untereinander Workshops oder helfen sich praxisnah, wenn sie Rückfragen haben. Wir unterstützen sie dabei mit Netzwerktreffen oder passenden Kontakten. Es ist einfach schön zu bemerken, dass in Bielefeld das Netzwerk funktioniert und ein neues Unternehmen nicht immer bei null anfangen muss.
Wie kommt DAS KOMMT AUS BIELEFELD da ins Spiel?
Astrid Schwarzer: Wir sorgen für Sichtbarkeit und präsentieren die Startups beispielsweise mit einem Gründungsprofil auf unserer Webseite. Dazu muss das Gründungsteam einfach nur einen kurzen Fragebogen ausfüllen und zwei Fotos mailen. So stellen sie sich und ihr Produkt oder ihre Dienstleistung kurz und knapp vor. Das Spektrum ist wahnsinnig breit gefächert. Wir haben Gründungen im Gesundheits- oder Foodbereich, nachhaltig ausgerichtete Startups, aber auch Tech-Unternehmen. Die Gründungsprofile bleiben in den ersten fünf Jahren nach Gründung online. Aktuell sind es 90 Profile – und es kommen immer neue hinzu.
Wir nehmen die neuen Gründungsprofile in unseren monatlichen Newsletter auf. Das schafft Reichweite. Sehr erfolgreich sind unsere Videoclips „Das ist Bielefeld“, hier stellen wir nicht nur den Arbeitsalltag von Führungskräften etablierter Unternehmen vor, sondern auch den aus Bielefelder Startups, zum Beispiel von The Trailblazers oder Zahnarzthelden. Das Videoformat wird übrigens selbst von einem Startup produziert.
Neben der Sichtbarkeit setzen wir mit DAS KOMMT AUS BIELEFELD auch auf Hörbarkeit. Wir haben mittlerweile bereits mehr als 50 Podcast-Folgen produziert und immer sehr gern mit Gründerinnen und Gründern gesprochen, damit sie sich einem breiteren Publikum vorstellen können. Wir erleben es auch immer wieder, dass ehemalige Startups, die den Sprung geschafft haben und sich etabliert haben, als Business Angel für nachrückende Gründungen fungieren. So ist zum Beispiel der Startup-Gründer Nils Drescher nach seinem erfolgreichen Exit von egoditor, er hat an das US-Unternehmen Bitly Inc. verkauft, als Business Angel beim Bielefelder Startup persomatch eingestiegen. Er unterstützt sowohl finanziell als auch im operativen Geschäft und bei Strategie-Themen.
Welche Bedeutung hat das DKAB-Netzwerk für die Startups?
Astrid Schwarzer: In unserer DAS KOMMT AUS BIELEFELD-Community sind über 300 etablierte Unternehmen – 120 davon mit Partner-Status – aktiv. Ein lebendiges Netzwerk, das den fachlichen und kollegialen Austausch fördert. Bei unseren Partnertreffen wie auch bei unserem Format Wirtschaft live! erhalten die Gründerinnen und Gründer die Möglichkeit, in einem zwanglosen Rahmen Kontakte zu knüpfen oder sich Ratschläge und Tipps von den Unternehmerinnen und Unternehmern zu holen. Als Upgrade bieten wir Startups eine kostenlose Basispartnerschaft im ersten Jahr an – danach zahlen die jungen Gründungen in den ersten fünf Jahren nur die Hälfte des regulären Beitrags. Als Partner können uns Startups ihre Pressemitteilungen schicken, die wir auf unserem Portal DAS KOMMT AUS BIELEFELD unter der Rubrik „News“ veröffentlichen. Noch interessanter ist für die schnellwachsenden Gründungen sicherlich die Veröffentlichung ihrer offenen Stellen auf unserem Jobportal.
Noch mal zurück zum Bielefelder Startup-Paket – wie läuft das Bewerbungsverfahren ab?
Hanna Drabon: Der Bewerbungsprozess ist denkbar einfach: Der Antrag befindet sich auf unserer Webseite. Dieser umfasst nur drei Seiten. Wenn alle Unterlagen da sind, laden wir das Team zu einem 30-minütigen Pitch ein. Bisher konnten wir den Startups im Anschluss innerhalb von Tagen Feedback geben, ob sie dabei sind. Für Fördermittel ist das wirklich „Warp-Geschwindigkeit“ (lacht). Aber natürlich können wir nicht alle Gründungen unterstützen. Wir fördern nur Startups aus Bielefeld, die weniger als 50 Mitarbeitende haben und weniger als drei Jahre alt sind. Da sind die Richtlinien streng. Zudem muss die vorgestellte Geschäftsidee wissensintensiv und innovativ sein, einen neuen Impuls in den Wirtschaftsstandort und in die eigene Branche geben. Daher fördern wir vor allem neue Produktentwicklungen oder neue Geschäftsmodelle.
Im letzten Jahr konnten wir so 50 Startups unterstützen. Und es ist toll zu sehen, wie weit gefächert die Ideen der Bielefelder sind. Wir haben B2B-Tech- Startups wie Circuly, die Shops technisch dabei unterstützen ihre Produkte im Abo anzubieten, oder Plattformen aus der Landwirtschaft wie Betriebsmittelhelden, die Transparenz in den Einkauf bringen oder auch Startups mit großem sozialen Herz, wie den Nachhilfe Helden, die den Zugang zur Nachhilfe vereinfachen. Die finanziellen Mittel für das Paket stellt die Stadt zur Verfügung. Das Ziel für alle Beteiligten ist klar: Wir wollen Bielefeld für die Zukunft als attraktiven Standort weiter etablieren, um so für alle unsere Stadt weiterhin lebens- und liebenswert zu gestalten.