24. September 2024
Suche nach nachhaltigen Geschäftsmodellen der Zukunft

HSBI-Projekt InCamS@BI

Lösungen für unternehmerische Probleme mit der Entwicklung zirkulärer Geschäftsmodelle verbinden – das ist eines der Ziele der Forschungsgruppe Innovationsmanagement um (v.li.) Theresa Nerlich, Jannis Stadtmann und Ramona Minnerop in InCams@BI. (Foto: P. Pollmeier/HSBI)

Unternehmensnews

Der Weg einer innovativen Idee aus der Forschung in die praktische Anwendung ist oft lang und herausfordernd. Das soll im Projekt InCamS@BI anders werden. Damit aus den Ideen funktionierende Praxis wird, hilft eine eigene Forschungsgruppe beim Transfer zwischen Wissenschaft und Anwendung. Ziel der Innovationsmanager*innen ist zudem, den Aufbau eines regionalen Innovationsökosystems zu unterstützen, dessen Strukturen auch zukünftig Bestand haben.

Es heißt: Jede Innovation beginnt mit einer Idee. Aber jede Veranstaltung zum Thema Innovation beginnt mit Handarbeit. Dieser erste Eindruck drängt sich jedenfalls auf, wenn man die Vorbereitungen der Forschungsgruppe Innovationsmanagement des Projekts Innovation Campus for Sustainable Solutions (InCamS@BI) zu ihrem „1. HSBI Innovationsforum“ beobachtet: Getränkekisten werden geschleppt, Schilder aufgehängt, Roll-Ups entrollt, Stühle gerückt, bis der Rahmen perfekt ist. Professor Dr. Ingo Ballschmieter sieht die Vorbereitungen seines Teams in einem ganz pragmatischen Zusammenhang mit dem Thema des Nachmittags: „Von einer Innovation sprechen wir erst, wenn eine Idee oder Erfindung tatsächlich umgesetzt bzw. durch die Zielgruppe genutzt wird und genau dafür schaffen wir gerade die Voraussetzungen.“

Eine innovative Idee braucht die richtige Umgebung

„Der 44-Jährige ist seit Jahresbeginn Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Entrepreneurship und Human Resources an der HSBI und steht nun im hellen Raum 208 des Standorts Kurt-Schumacher-Straße. Zusammen mit anderen Forschungs- und Transferprojekten hat auch InCamS@BI hier sein Zuhause gefunden. Heute findet hier eine Veranstaltung des projekteigenen Formats „Expert Panel“ statt: In ungezwungener Runde tauschen sich Vertreter:innen regionaler Unternehmen im Anschluss an einen wissenschaftlichen Input zu einem der Themen des Projekts aus. Neben Kunststoffen und Zirkulärer Wertschöpfung gehört dazu auch die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle. Auf der Agenda steht heute mit „Open Innovation“ eine neue Variante des Innovationsprozesses – die Innovation der Innovation. Es ist eines von Ballschmieters Schwerpunktthemen, für das er jüngst sogar als Referent an die University of California, Berkeley eingeladen wurde.

Eines der Schwerpunktthemen heißt „Open Innovation“

Der Ansatz versucht, die komplexen und dynamischen Rahmenbedingungen abzubilden, unter denen Unternehmen im 21. Jahrhundert Innovationen entwickeln: „In der Vergangenheit haben Unternehmen dazu tendiert, einen geschlossenen Innovationsansatz anzuwenden. Sie haben Ideen für neue Produkte oder Leistungen selbst entwickelt, Forschung und Entwicklung selbst umgesetzt und mit Blick auf Wettbewerber möglichst nichts davon vor der Markteinführung öffentlich gemacht“, erklärt Ballschmieter das klassische Innovations-Modell. Doch unter den Bedingungen technologischer Schübe wie KI, abnehmender Ressourcen oder des allgemeinen Wettbewerbsdrucks stoße dieses Modell an seine Grenzen. Während des geschlossenen Entwicklungsprozesses können entscheidende Veränderungen des Marktumfelds aus dem Blick geraten und die ursprüngliche Innovation bei Markteinführung schon überholt sein oder an den Kund*innenbedürfnissen vorbeigehen. „Open Innovation steht dagegen für die Öffnung des Innovationsprozesses nach außen, also für den Einbezug von externen Akteuren. Dazu können Zulieferer, Kund*innen, Hochschulen, oder Forschungspartner gehören“, erklärt Ballschmieter. „Der Vorteil eines solchen Innovationsökosystems liegt für Unternehmen in der Ausweitung des Wissens und der Kreativität. Dadurch reduziert sich wiederum das Risiko von Fehlentwicklungen“, unterstreicht Ballschmieter die Vorzüge des
offenen Innovationsprozesses.

Kunststoffbranche eignet sich exemplarisch für „Open Innovation“-Ansätze

Besonders die von InCamS@BI adressierte Kunststoffbranche eigne sich angesichts ihrer großen Herausforderungen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Ressourcenverbrauch exemplarisch für „Open Innovation“-Prozesse, verdeutlicht Ballschmieter: „Die Branche befindet sich inmitten der Transformation hin zu nachhaltigen, biobasierten Materialien, recyclingorientiertem Produktdesign und zur Umsetzung einer Kreislaufwirtschaft. Dafür braucht sie Forschung, Entwicklung und Expertise nachhaltigkeitserfahrener Akteure. Für Unternehmen ist es deshalb absolut sinnvoll, Kooperationen mit Hochschulen, Forschungseinrichtungen und weiteren Akteuren wie Innovationsnetzwerken einzugehen – das ist Open Innovation.“ Selbstverständlich berge der Ansatz auch Risiken, wie Fehlinvestments oder den Verlust geistigen Eigentums vor der Patentierung: „Die Einführung von Open Innovation-Prozessen stellt Unternehmen zweifellos vor komplexe Aufgaben“, beschreibt Ballschmieter ein häufiges Hemmnis von Unternehmen. „Deshalb ist es wichtig, vor der Einführung eine zum Einzelfall passende Strategie zu entwickeln, die auch Grenzen der Öffnung benennt.“

Wie lassen sich die Expertise von InCamS@BI und die Bedürfnisse von KMUs zusammenbringen?

Die Grundprinzipien von „Open Innovation“ könnten so etwas wie die Leitlinie der Forschungsgruppe Innovationsmanagement in InCamS@BI sein. Denn Wissen und Kreativität bringt auch das interdisziplinäre InCamS@BI-Team in Form seiner Technologiescouts reichlich mit. Dieses Wissen mit den Praxisproblemen kunststoffverarbeitender Unternehmen zusammenzubringen und in die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle einfließen zu lassen, ist deshalb eine der entscheidenden Fragen des Projekts, weiß Theresa Nerlich: „Transfer bedeutet für mich, Wissen von der Hochschule in die Gesellschaft und umgekehrt zu bringen. Am Ende wird dadurch in jedem Fall ein Mehrwert geschaffen. Dazu zählen beispielsweise Forschungsprojekte mit Unternehmen, Gründungen von Startups oder die Pflege und Erweiterung des großen Netzwerkes der HSBI“. Die 29-Jährige ist eine von insgesamt vier Referent*innen für Innovationsmanagement, die zusammen mit ihren Mentoren, Prof. Dr. Ingo Ballschmieter und Prof. Dr. Tim Kampe das InCamS@BI-Projekt mit betriebswirtschaftlicher Expertise bereichern. Während ihres Master of Business Administration kam die Betriebswirtin das erste Mal mit der Startup-Szene in OWL in Berührung. Fast schon folgerichtig blieb sie nach dem Abschluss ihres Studiums dem Thema Gründung auch im Center for Entrepreneurship (CFE) der HSBI treu.

Kreativmethoden wie Design-Thinking stärken die Lösungskompetenzen des Teams

Am InCamS@BI-Projekt reizt Nerlich vor allem die Herausforderung, dem interdisziplinären Team neue Kompetenzen für die Lösung unterschiedlicher Probleme nahezubringen: „In InCamS@BI trifft viel verschiedenes Wissen aus sieben Forschungsgruppen zusammen. Das ist einerseits eine Herausforderung. Auf der anderen Seite können wir diese Heterogenität des Wissens beispielsweise mithilfe der Design-Thinking-Methode zu einem Erfolgsfaktor bei der Lösung komplexer Probleme werden lassen.“

Vor denen stand das Projektteam in den ersten rund 18 Monaten InCamS@BI immer wieder: Neben dem Aufbau der eigenen Arbeitsprozesse ging es für die 28 Teammitglieder darum, die jeweilige Expertise, individuelle Kompetenzen und Ressourcen kennenzulernen. Diesen internen Wissenstransfer gestaltete die Forschungsgruppe mit ihrem Knowhow um Kreativitätstechniken und Teambuilding maßgeblich mit. In einer dafür konzipierten Workshopreihe stellten die Technologiescouts reihum ihr Fachgebiet vor, anschließend wendete das übrige Team sein gerade erlerntes Wissen auf die Themen des Projekts an.

In dieser Rolle als Impulsgeberin sieht auch Referent Jannis Stadtmann die größten Stärken der Forschungsgruppe: „Neben unserer Methodenkompetenz bringen wir vor allem die Kundenperspektive und den Blick auf Innovationen in die InCamS@BI-Arbeit ein. Beides ist nicht nur bei der Gestaltung unserer Prozesse wichtig, sondern nützt uns auch bei der Planung von Messen oder Veranstaltungen.“ Beim dafür erforderlichen Perspektivwechsel hilft Stadtmann sein weiter Horizont.

Denn vor seinem Masterabschluss in Applied Entrepreneurship an der TH OWL absolvierte der 33-Jährige bereits eine Ausbildung zum Tischler, arbeitete und studierte anschließend Holztechnik am Campus Lemgo. Verbindendes Element der unterschiedlichen Stationen ist für Stadtmann das Denken in Innovationen und daraus entspringender Geschäftsmodelle: „Wir wollen auf Grundlage von unternehmerischen Problemen neue Ideen entwickeln, die zu einer Lösung im Sinne der Circular Economy beitragen. Gleichzeitig behalten wir dabei immer auch das Potenzial für die Entwicklung eines neuen Geschäftsmodells im Blick.“

Intrapreneurship-Projekte arrivierter Partner*innen dienen als Inspiration

Auf dem Innovationsforum stellt mittlerweile Dr. Stephanie Rabbe von Miele das von ihr betreute Intrapreneurship-Projekt „Miele Pioneers Camp“ vor. Die darin verfolgte Grundidee macht die Mitarbeiter:innen des Unternehmens selbst zum Motor von Innovationsprozessen. Dieser bestärkende Ansatz, die eigenen Potenziale auszuschöpfen, gefällt InCamS@BI-Referentin Ramona Minnerop: „Für Innovationen braucht es häufig als Erstes den Mut, über den Tellerrand hinauszublicken und gewohnte Prozesse vollständig zu hinterfragen“, berichtet Minnerop, die außerdem im Ressort Wissenschaftliche Weiterbildung der HSBI an der Verzahnung von Beruf und Studium arbeitet: „Menschen, die täglich mit den Produkten eines Unternehmens arbeiten, können deshalb eine hervorragende Quelle für Innovationsprozesse sein. Sie betrachten das bisherige Geschäftsmodell aus einer Doppelperspektive, weil sie Produzent*innen und Nutzer*innen des Produkts zugleich sein können und wissen, an welchen Stellen ein Prozess hakt.“ Solche und ähnliche neue Perspektiven will auch InCamS@BI in seinen Projektideen für interessierte Unternehmen stärken.

Ziel ist ein regionales Innovationsökosystem, das über das Projekt hinausreicht

Mit den vorhandenen und zukünftigen Kontakten des Projekts soll ein regionales Innovationsökosystem entstehen, in dem Unternehmen, Forschende und Kund*innen auch nach dem Ende des Projekts interagieren. Ganz im Sinne der Prinzipien von „Open Innovation“ soll dabei der äußere Input der jeweiligen Partner*innen zur permanenten Innovationsquelle werden. Die Basis dafür wird in den unterschiedlichen Transferformaten gelegt, die InCamS@BI erprobt und dabei erste Netzwerke aufbaut: Neben dem „Expert Panel“ bietet das Team interessierten Unternehmen „Technologie Checks“ an, bei denen zusammen mit partizipierenden Unternehmen Ansatzpunkte für eine zirkuläre Umstellung eines Produkts oder ihres Geschäftsmodells gefunden wird. Auch die Mitmachformate „Barcamp“ und „Makeathon“ dienen als Ideengeneratoren und zur Festigung des Netzwerks.

Im besten Fall wachsen aus den InCamS@BI-Ergebnissen Start Ups

„Wir befinden uns auf der Suche nach Geschäftsmodellen, die es zum Großteil noch nicht gibt“, ergänzt Amir Giebel. Der 36-Jährige kennt sich mit der Entwicklung nachhaltiger Geschäftsmodelle aus. Nach seinem Studium als Umweltingenieur gründete er zusammen mit einem Kommilitonen ein Startup, das Konzepte für intelligente energetische Fassadensanierungen entwickelte und dafür mit einem Gründerpreis des Landes NRW ausgezeichnet wurde. „Im besten Fall sind auch am Ende von InCamS@BI Ideen entstanden, die das Potenzial zur Ausgründung besitzen. Unabhängig davon, ob das dann auch geschieht, wollen wir als Forschungsgruppe der Sparringspartner sein, den eine gute Idee auf dem Weg dahin braucht“, zieht Giebel den Vergleich zum Boxen. Ganz so harten Auseinandersetzungen, wie denen im Ring müssen sich die in InCamS@BI entwickelten Ideen auf ihrem Weg in die Anwendung wohl nicht stellen – aber ganz ohne Handarbeit geht es eben doch nicht. (mkl)

Bei diesem Text handelt es sich um eine Pressemitteilung Dritter. Für den Inhalt zeichnet sich die WEGE mbH nicht verantwortlich.

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