Mehr Sicherheit mit „Buntem Hund“ – nachhaltig und fair
Foto: Alex Quaet-Faslem
Startups
Story
In Bielefeld sind Antonia Berndt und Julia Meinert schon bekannt wie ihr Produkt – die sprichwörtlichen bunten Hunde. Ihre farbenfrohen Warnwesten sind der Renner. Sorgen sie doch für mehr Sichtbarkeit und damit Sicherheit von Mensch und Hund im Straßenverkehr. Und die beiden Unternehmerinnen, die unter dem Start-up „Antonia Berndt“ firmieren, machen sich sehr viele Gedanken, um die Produktion ihrer Artikel noch nachhaltiger und fairer zu gestalten.
„Wir sind eigentlich kein typisches Start-up“, sagt Antonia Berndt, die bereits vor fünf Jahren als „Einzelkämpferin“ mit dem Nähen der Westen angefangen hat. Julia Meinert kam zum Jahresbeginn 2021 dazu. Die beiden kannten sich aus gemeinsamen WG-Zeiten. „Wir verbringen sehr viel Zeit mit Recherche. Das beginnt beim Einkauf unserer Materialien, wie zum Beispiel recyceltes Nähgarn, und endet mit strategischen Entscheidungen, wie ein faires und gesundes Wachstum des Unternehmens aussehen könnte. Mir geht es dabei nicht so sehr um Kennzahlen. Wir wollen auch wirtschaftlich arbeiten und Gewinn machen. Allerdings geht es bei uns darum, gesund zu wachsen und nicht wie bei klassischen Start-ups möglichst schnell groß zu werden.“
So regional wie möglich
Der Name des Unternehmens „Antonia Berndt“ ist geblieben. „Das muss man sich gut überlegen, wenn man einen bereits gut eingeführten Markennamen ändern will. Außerdem bin ich nicht so eitel, dass auch mein Name unbedingt auftauchen muss“, lacht Julia Meinert. Denn für die beiden sympathischen Unternehmerinnen stehen momentan ganz andere Themen im Fokus: den Vertrieb ausbauen und die Entwicklung neuer Produkte. Antonia Berndt ist in erster Linie für die Produktion und Buchhaltung zuständig, während Julia Meinert den Part Marketing und Vertrieb ausfüllt, sich um den Online-Shop, Social Media kümmert. Zudem sind beide auf Messen präsent ist, stellen Kontakte zu Händlern her und pflegen diese. Aber auch die 36-jährige Julia Meinert, die Soziologie und Kriminologie studiert hat, sitzt immer häufiger an der Nähmaschine. Es ist der Anspruch der beiden Frauen, dass jede alles, was mit dem Label „Antonia Berndt“ zu tun hat, machen kann. Nach reiflicher Überlegung hat sie ihren Job aufgegeben, ihre Promotion abgebrochen und ist bei Antonia Berndt eingestiegen. „Ich fand es zwar sehr spannend, wissenschaftlich zu arbeiten, aber die Auswertung von Daten ist schon sehr abstrakt. Ich wollte lieber etwas zum Anfassen machen“, erklärt Julia Meinert ihren Schritt in die Selbstständigkeit. „Jetzt bin ich endlich angekommen.“
Antonia Berndt hat nach ihrem Studium der Soziologie ihren Master in „Politischer Kommunikation“ gemacht, eine Ausbildung zur Maßschneiderin absolviert und als Schnittdirektrice gearbeitet. Für die 37-Jährige war es keine Option, in der Industrie zu arbeiten und in China produzierte Sachen zu kreieren. Das geht anders. Und so werden die Warnwesten „Bunter Hund“ mit Herz und Hand im Bielefelder Westen gefertigt. Der Zuschnitt wurde aufgrund der großen Nachfrage nach Osnabrück ausgelagert. Dabei war es Antonia Berndt und Julia Meinert wichtig, das Unternehmen und die Menschen vor Ort in Niedersachsen kennenzulernen und zu prüfen, ob dort vernünftige Arbeitsbedingungen herrschen. Die bunten Buttons werden übrigens in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung in Bethel hergestellt.
Guter Stoff
Bei der Materialauswahl gehen Antonia Berndt und Julia Meinert akribisch vor. „Das ist manchmal gar nicht so einfach. Wir brauchen ja spezielle Stoffe, Neonstoffe, die schnell trocknen, und die gibt es nur bei wenigen Händlern. Und da wir keine drei Paletten auf einmal abnehmen können, müssen wir viel recherchieren, wo wir recycelte Materialien in der von uns benötigten Menge und zu einem akzeptablen Preis einkaufen können.“ Die Fragen stellen sich auch bei Reißverschlüssen, Nähgarn oder dem Reflexmaterial. Bisher haben die beiden engagierten Unternehmerinnen immer eine für sie vertretbare Lösungen gefunden. Sie arbeiten mit recycelten Stoffen und Co. aus Europa.
Zieht euren Kindern etwas Buntes an, damit man sie sieht.
„Antonia Berndt“ ist ein Start-up ohne Investor und muss das Material vorfinanzieren. Auch ein Grund, das Unternehmen mit Augenmaß wachsen zu lassen. „Die Westen laufen super. Mit einem Investor würde der Druck zunehmen. Wir wollen uns nicht überladen und – was uns noch wichtiger ist: Wir stehen für Werte. Da machen wir keine Kompromisse. Da müsste ein Investor genauso ticken wie wir“, sind sich die beiden Frauen einig. Sie stellen sich viele politische Fragen. „Wenn wir größer werden, wollen wir fair arbeiten und über Mindestlohn bezahlen“, betont Antonia Berndt. Auch eine Selbstausbeutung kommt nicht in Frage. „Ein gewisses Maß an Faulheit ist für die Selbstständigkeit gesund. Das Wochenende soll Wochenende bleiben und es soll alltags auch nicht bis tief in die Nacht hinein gearbeitet werden. Da sind wir störrisch“, sagt Antonia Berndt. „Klar gibt es auch mal Phasen, in denen sehr viel zu tun ist, wie jetzt im Herbst und Winter, und wir mehr arbeiten. Aber das sollten Ausnahmen bleiben.“ Achtsam mit der eigenen Arbeitskraft umzugehen, nennen die beiden Unternehmerinnen treffend ihre „Altersvorsorge“. Dazu gehört, dass Besprechungen bei einem Spaziergang durchs Quartier abgehalten werden. Außerdem kocht Julia Meinert jeden Mittag eine gesunde Mahlzeit.
Fair & nachhaltig unterwegs
Neben den „Bunten Hunden“ übernimmt „Antonia Berndt“ Sonderanfertigungen. Für die Fanbetreuung von Fortuna Düsseldorf wurden Westen in den Vereinsfarben gefertigt. Und ein Fahrradhändler in Dortmund wollte gern Warnwesten für die BVB-Fans anbieten – natürlich in Schwarz-Gelb. Auch Hunde tragen die Warnwesten der Marke „Antonia Berndt“, die in den Größen XS bis XL erhältlich sind. Noch sind Schnittmuster für Hunde nicht digitalisiert – das ist weiterhin reine Handarbeit – Slow Fashion at its best. Die beiden Frauen stehen voll hinter ihren Produkten und fahren beide selbst viel Rad. „Julia ist mit Mountainbiking oder Rennrad auch sportlich ambitioniert. Für mich ist das Fahrrad das ideale Fortbewegungs- und Transportmittel“, erzählt Antonia Berndt. „Ich möchte selbst kein Auto haben und fahre auch nicht gern mit öffentlichen Verkehrsmitteln.“ „Mit einer Warnweste bin ich nun noch lieber mit dem Rad unterwegs, weil ich mich sicherer fühle“, ergänzt Julia Meinert, die als Mutter allen Eltern rät: „Zieht euren Kindern etwas Buntes an, damit man sie sieht. Gerade aus SUVs werden Kinder im Straßenverkehr übersehen. Mit unseren Westen möchten wir die Bereitschaft erhöhen, dass sich Menschen Warnwesten anziehen.“ Und das funktioniert gut, wenn diese schön aussehen. Zudem ist es ein riesiger Unterschied, ob man an einem trüben Tag oder bei Dunkelheit auf einer Entfernung von 50 oder von 250 Metern gesehen wird.