1. Februar 2022
Interview mit Stephan Hindrichs, synavision, Auszug aus: Nachhaltig Wirtschaften - was sonst!

Nachhaltig in Gebäudetechnik investieren

DKAB

„Um die enormen CO2-Emissionen im Gebäudesektor zu reduzieren, braucht es mehr als nur die neueste Technik – entscheidend ist, dass sie auch von Anfang an funktioniert“, meint Stefan Hindrichs von synavision, einem Spezialisten für die KI-basierte Optimierung von Smart Buildings. Das 2010 als Spin-off entstandene Start-up aus der TU Braunschweig ging 2015 in Bielefeld an den Start. Neben Stefan Hindrichs, Geschäftsführer Vertrieb & Marketing, gehören die Gründer Dr. Claas Pinkernell und Dr.-Ing. Stefan Plesser zum Management-Team des Unternehmens.

Sie ermöglichen, dass Gebäude ihr volles Potenzial ausschöpfen. Eine Schlüsselrolle in der deutschen Klimapolitik spielt die Reduzierung der CO2-Emissionen des Gebäudebestands. Warum?

Stefan Hindrichs: Weil rund 30 Prozent aller CO2-Emissionen in Deutschland derzeit durch den Gebäudesektor verursacht werden. Mehr als die Hälfte der Wohngebäude wurde vor 1977 errichtet. Das Einsparpotenzial ist bei diesen Häusern besonders groß, aber tatsächlich gibt es bei allen Gebäudetypen große Chancen. Wir haben auch schon echte Fortschritte gemacht: Im Vergleich zu 1990 hat der Sektor seine jährlichen Emissionen um 90 Millionen Tonnen CO2 auf rund 120 Millionen Tonnen gesenkt. Bis 2030 soll der Ausstoß nun auf 67 Millionen Tonnen gesenkt werden. Dieses Ziel ist Teil der Novelle des Klimaschutzgesetzes, das im August 2021 in Kraft getreten ist. Fast 60 Prozent der Gebäudeenergie werden zum Heizen verbraucht. Besonders an dieser Stelle sollten wir ansetzen. Wir müssen Heizungsanlagen aber nicht nur erneuern und Gebäude energetisch sanieren – wir müssen auch sicherstellen, dass neue und vorhandene Anlagen so effizient wie möglich laufen und ihr Effizienzpotenzial im Betrieb auch erreichen – das ist in der Regel leider noch nicht der Fall.

Stefan Hindrichs, synavision

Die Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden sind seit Einführung der Wärmeschutzverordnung massiv verschärft worden. Was bedeutet das?

Stefan Hindrichs: Die neue Bundesregierung strebt an, dass wir in Deutschland bis 2045 einen fast klimaneutralen Gebäudebestand haben. Um dahin zu kommen, muss der rechtliche Rahmen zwangsläufig verschärft werden. Zuletzt kam mit dem Gebäudeenergiegesetz ein weiterer Baustein dazu. Diese Entwicklung zeigt, wie ernst Eigentümer das Thema Energieeffizienz nehmen sollten. Denn früher oder später werden wir eine Gesetzeslage haben, welche die aktuellen Ineffizienzen nicht mehr durchgehen lässt. Für den Gesetzgeber bedeutet das: Die bisherigen Regelungen reichen nicht aus. Ein wichtiger Schritt wäre die von der neuen Regierung angekündigte Teilwarmmiete, um das Mieter-Vermieter-Dilemma zu überwinden und alle Kräfte zu bündeln.

Inwiefern braucht es mit Blick auf das Thema Nachhaltigkeit einen Baukulturwandel?

Stefan Hindrichs: Viele Unternehmen, Investoren und Asset Manager beschäftigen sich jetzt sehr ernsthaft mit dem Klimawandel und den steigenden Anforderungen an ihre  Gebäude. Dabei haben sie festgestellt, dass wir zurzeit noch nicht gut dastehen. Viele haben auch bereits eigene Nachhaltigkeitsziele definiert und investieren im großen Stil in die Nachhaltigkeit ihrer Gebäude. Mit Geld allein ist es aber nicht getan. Nach vielen Jahren, in denen es bei der Perfomance nicht so drauf ankam, muss jetzt alles passen: bestmögliche Planung, perfekte Umsetzung, optimaler Betrieb – Qualität ist plötzlich der Schlüssel. Und das ist für eine Branche tatsächlich ein Kulturwandel, das müssen wir alle gemeinsam lernen.

Die Energiekosten können bei Neubauten, Sanierungen und im Bestand um bis zu 30 Prozent gesenkt werden.

Stefan Hindrichs, Geschäftsführer Vertrieb & Marketing

Welche Möglichkeiten bietet dafür ein intelligentes Technisches Monitoring?

Stefan Hindrichs: Mit unserer KI-basierten Software ermöglichen wir ein Technisches Monitoring, mit dem Gebäude ihr volles Potenzial ausschöpfen. Die Voraussetzungen dafür können wir schon in der Planungsphase des Gebäudes schaffen, indem wir die Weichen auf Qualität stellen. Denn hier entstehen oft die ersten Schwierigkeiten , die leicht vermieden werden können, wenn beispielsweise für die Analyse der Betriebseffizienz wichtige Sensoren zur Erhebung von Daten nicht vorgesehen sind. Bei dem Zusammenspiel auf der Baustelle fehlt oft eine Instanz, die das große Ganze der Anlagen im Blick hat und das Qualitätsmanagement des Gebäudes sicherstellt. Spezialisten für Technisches Monitoring der Gebäudetechnik können diesen Part am besten übernehmen, da sie als neutrale Dritte direkt im Auftrag des Bauherrn agieren. Wir begleiten den Bau von der Planung bis in den Regelbetrieb und stellen dabei schon ab der ersten Betriebsminute eines Gebäudes sicher, dass die geplanten Ziele in Bezug auf Energieeffizienz und Klimakomfort in den Räumen auch erreicht werden – und das möglichst schnell und nicht erst nach einer mehrjährigen Einregulierungsphase. Aber auch im Bestand hilft unser Monitoring. Mittels unserer Software kann das gesamte Gebäude automatisiert unter die Lupe genommen werden: Wo gibt es Potenziale, wo ist etwas falsch eingestellt, wo passt das Zusammenspiel verschiedener Anlagen nicht richtig? Mit all diesen Hinweisen kann viel gespart und Emissionen können schnell gesenkt werden. Bauherren und Investoren erhalten von unabhängiger Seite so die Bestätigung, dass ihr Gebäude wie geplant funktioniert inklusive eines Zertifikats. synavision ist sozusagen ein „digitaler TÜV“ für Gebäudeperformance.

Welches Einsparpotenzial ergibt sich aus einer optimierten, smarten Gebäudeperformance?

Stefan Hindrichs: Die Energiekosten können bei Neubauten, Sanierungen und im Bestand um bis zu 30 Prozent gesenkt werden. Eigentümer und Mieter profitieren von dauerhaft niedrigen Nebenkosten und technischen Anlagen, die sowohl in Bezug auf Energie und Komfort besser funktionieren als auch niedrigere Wartungs- und Instandhaltungskosten verursachen. Nach unseren Erfahrungen amortisieren sich die Investitionen in eine Betriebsoptimierung meistens schon nach weniger als einem Jahr. Seit der Unternehmensgründung hat synavision mehr als 500 Gebäude optimiert und den CO2-Ausstoß damit um insgesamt rund 450.000 Tonnen gesenkt. Unsere Kunden konnten so rund 135 Millionen Euro einsparen. Während wir diesen Service anfangs überwiegend für hochmoderne Bürogebäude und Sondergebäude wie Flughäfen eingesetzt haben, wird synavision mittlerweile selbst in allen Gebäudetypen eingesetzt. Wir optimieren zum Beispiel sogar Kitas und Wohngebäude. Wir wollen, dass jedes Gebäude nur so viel Energie verbraucht wie nötig – und dank unserer digitalen Lösungen können wir das auch für alle Gebäude wirtschaftlich anbieten.

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