1. März 2022
green account GmbH

Naturkapital: von der Blühfläche zum digitalen Marktplatz

Startups

Mit Landwirtschaft hatte er eigentlich nichts am Hut. Bis er mit Landwirt Johann-Christoph Meyer zu Bentrup auf das Thema Blühflächen stieß. „Die Anlage solcher Blühflächen ist eine Maßnahme für mehr Biodiversität und wirkt durch die Schaffung von Lebensraum dem Rückgang der Insektenpopulation entgegen“, erklärt Trutz von der Trenck. Beide erkannten das darin versteckte unternehmerische Potenzial. Aber auch, dass eine Umsetzung ohne Verstärkung nicht funktionieren würde.

Mit der Unterstützung von Max von Sandrart und Julius von Freier entwickelte sich im Sommer 2021 aus der Idee die green account GmbH. Längst geht es um mehr als „nur“ Blühflächen. Als erster großer Anbieter für Umweltkompensation in Deutschland wollen die vier Gründer eine Plattform schaffen, auf der das Potenzial von Naturraum erkennbar wird. 

Unsere Natur stellt uns allen Dienstleistungen bereit, die wir bisher nahezu kostenlos in Anspruch nehmen. Der Klimawandel und die Veränderung in unserer Natur zeigen uns, dass das so nicht länger funktionieren wird. Wir müssen was tun!

…erklärt Trutz von der Trenck. 41 Hektar Blühfläche – das entspricht rund 55 Fußballfeldern – legte das junge Bielefelder Unternehmen zwischen der Insel Fehmarn und dem Rheinland bereits im Gründungsjahr an. Die wirtschaftliche Vermarktung des „Produktes“ Biodiversität stieß bei Landwirten und Unternehmen auf offene Ohren. „In dieser Zeit haben wir viele interessante Gespräche geführt. Aber wir wurden auch immer wieder gefragt, welchen Einfluss unsere Maßnahmen haben und wie valide sie sind. Also haben wir uns stark mit der Frage ‚Welchen Wert hat die Natur?‘ beschäftigt und sind in eine Validierung eingestiegen, die unser Geschäftsmodell noch einmal deutlich verändert hat“, erklärt Trutz von der Trenck.

Fläche als Ressource 

Um diese Frage zu beantworten, haben sich die vier Gründer nach Bewertungsmethoden umgesehen, die belastbar, aber vor allem auch praktikabel sind. Fündig wurden sie im Baubereich: Denn laut Bundesnaturschutzgesetz ist jeder, der in Deutschland Naturraum versiegelt, verpflichtet, diesen an anderer Stelle auszugleichen oder zu ersetzen. „Die Bewertung des Naturraums ist etabliert und im Gesetz verankert. Im Zuge dieser Überlegungen ist uns klargeworden, dass die Ressource ‚Fläche‘ viel mehr Potenzial bietet, als auf den ersten Blick erkennbar ist. Sie ist eine begrenzte Ressource und ihre Aufgaben werden sich in der Zukunft deutlich wandeln“, ist sich Trutz von der Trenck auch mit Blick auf das Thema Biodiversität sicher. Er verweist auf Studien, die davon ausgehen, dass der Rückgang der Biodiversität ein größeres Problem darstellt als die durch Treibhausgase verursachte Erderwärmung. Und während bei CO2 der Ort der Emission und der Kompensation nicht identisch sein müssen, sieht es beim Thema Biodiversität ganz anders aus. „Für eine CO2-Kompensation können und sollten wir den Regenwald aufforsten – gegen den Rückgang der Biodiversität vor unserer Haustür wird das aber nicht helfen!“, lautet deshalb das Resümee des Bielefelder Startups. Unter der Marke plantgreen bietet es Unternehmen daher die Vermarktung von Biodiversität als Ausgleichsinstrument am Standort Deutschland an. 

Naturkapital nutzen

Die Überlegungen gehen aber noch weiter. „Naturkapital, wie dieses, wird in Zukunft viel stärker nachgefragt werden. Häufig stehen Institutionen, die die Problematik schon erkannt haben, aber vor dem Problem, dass sie nicht wissen, wie sie sich für die Veränderung des Naturraums einsetzen können. Gerade Unternehmen gehen hier häufig den Weg der Spende an eine Naturschutzorganisation. Wir setzen dagegen auf einen digitalen Marktplatz. Hier kann dieses Naturkapital angeboten und gehandelt werden. Wir wollen dadurch das Potenzial aufzeigen, das in Flächen steckt und so den Flächeneigentümer, der sich eine Aufwertung des Naturraumes vorstellen kann und denjenigen, der diese Aufwertung finanziert, zusammenbringen“, betont Trutz von der Trenck.

Mittlerweile hat das Startup zwei Projekte in der Pipeline. Zum einen laufen erste Pilotprojekte, die in Deutschland CO2- und Biodiversitätszertifikate generieren. Diese vermarktet es an Unternehmen. „Wir haben in vielen Gesprächen gemerkt, dass regional generierte CO2-Zertifikate, auf positive Resonanz stoßen. Leider sind diese Projekte in Deutschland häufig sehr schwierig umzusetzen. Wir arbeiten an mehreren Wegen, die hier Lösungen aus dem Bereich der Landwirtschaft anbieten werden.“ 

Der zweite Ansatz bezieht sich auf Kompensationen im Baubereich. „Der Markt für diese Art der Kompensation, die häufig in sogenannten Ökopunkten angeboten wird, ist stark fragmentiert und unübersichtlich“, so Trutz von der Trenck. Diesen Umstand nutzt das Startup und setzt mit digitalen Prozessen darauf, die Beschaffung der Kompensation deutlich effizienter zu gestalten. „Auch hier geht es am Ende des Tages nur um die Nutzung von Flächen“, so Trutz von der Trenck. Das Bielefelder Startup möchte auch hier beispielhaft vorangehen und mit dem Aufbau des ersten Marktplatzes für Naturkapital ein Leuchtturmprojekt installieren. „Wir planen bereits weiter. Allerdings bin ich mir sicher, dass wir einige der zukünftigen Nutzungsformen für Fläche heute noch gar nicht abschätzen können“, betont Trutz von der Trenck. „Wie auch immer sich die Lage entwickelt und welche zukünftigen Ideen und Möglichkeiten gefunden werden: Wir werden da sein, unser Marktplatz bietet die Chance, diese Konzepte auch umzusetzen.“

Als Technologiepartner hat sich das Startup mit der u+i interact GmbH – ebenfalls ein Bielefelder Unternehmen – einen Partner für die technische Umsetzung der Plattform ins Boot geholt. In den nächsten Wochen und Monaten liegt der Fokus auf der technologischen Entwicklung, Erprobung und Verfeinerung der Prozesse. Auch eine weitere Finanzierungsrunde ist in Sicht. „Es ist unheimlich spannend und macht sehr viel Spaß. Ich glaube, selten hat mich ein Thema so gepackt. Dass unsere Geschäftsidee auch noch einen Impact auf die Natur hat und hoffentlich hilft, unsere Zukunft ein wenig besser zu machen, motiviert uns alle sehr. Wer weiß, vielleicht retten wir die Welt am Ende zumindest ein kleines bisschen“ so Trutz von der Trenck.

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