Zu Gast war Professor Dr. Herbert Dawid, der gleich zu Beginn seines spannenden Vortrags zwei Aspekte hervorhob: Zum einen gäbe es kaum Studien, die das epidemiologische und das ökonomische Geschehen im Zusammenhang mit unterschiedlichen Lockdown-Politiken betrachten. Und zum anderen habe eine frühere Version der präsentierten Studie vom Juni schon als wichtiges Ergebnis gezeigt, dass der momentane Schwellenwert von 50, d. h. der Corona-Inzidenzwert von 50 Neuerkrankten pro 100.000 Einwohner, der verschärfte Eindämmungsmaßnahmen nach sich zieht, deutlich zu hoch ist.
In der Arbeitsgruppe AG Wirtschaftstheorie und Computational Economics (ETACE) hat der Wirtschaftswissenschaftler der Universität Bielefeld gemeinsam mit vier Mitarbeitenden in einem Computermodell mit hoher Voraussagekraft simuliert, wie sich das Virus verbreitet und wie sich zugleich unterschiedliche Eindämmungsmaßnahmen auswirken – und zwar sowohl auf das Bruttoinlandsprodukt als auch auf die Zahl der Infizierten und der an Covid-19 Verstorbenen. Es sei wichtig, die ökonomischen und epidemiologischen Aspekte im Zusammenhang zu betrachten, denn die angeordneten Maßnahmen haben nicht nur wirtschaftliche Konsequenzen, sondern die wirtschaftlichen Aktivitäten können dazu beitragen, dass sich das Virus weiterverbreitet.
Die Wissenschaftler*innen wollten mit ihrer Studie dem Trade-off, d. h. der Austauschbeziehung zwischen effektiver Eindämmung des Virus und den ökonomischen Kosten auf die Spur kommen. Daraus resultieren die Fragestellungen nach den epidemischen und ökonomischen Auswirkungen unterschiedlicher Lockdown-Politiken. Zu berücksichtigen gilt hierbei: a) die Intensität des Lockdowns; b) das Ausmaß der Öffnung nach Beendigung des Lockdowns; c) Zeitpunkt der Wiedereinführung von Lockdown-Maßnahmen. Außerdem gilt es zu fragen: Für welche Maßnahmen ergeben sich Trade-offs zwischen Eindämmung des Virus und ökonomischer Kosten? Und: Wie „teuer“ sind Unterstützungsangebote für Unternehmen für die öffentlichen Finanzen?
Zur Simulation der Ausbreitung des Virus kombinierten die Forscher*innen etablierte epidemiologische Modelle mit einem stilisierten Simulationsmodell einer Volkswirtschaft. „Wir bilden explizit ab, über welche Kanäle ökonomische Aktivität zur Verbreitung des Virus beiträgt“, erläutert Prof. Herbert Dawid das Modell. Als Verbreitungskanäle nennt er Arbeit, Einkaufen und private Treffen. Verwendet wurden Daten aus Deutschland. Hierbei zeigt sich, dass das erstellte Modell in epidemiologischer und in ökonomischer Hinsicht den Zeitraum März bis September 2020 gut abbildet. Außerdem können die Wissenschaftler*innen simulieren, wie sich die genannten Zeitreihen unter alternativen Lockdown-Politiken entwickelt hätten. Dabei finden zwei zentrale Indikatoren Berücksichtigung: zum einen die Anzahl Verstorbener und zum anderen der BIP-Verlust nach 24 Monaten.
In ihrem Modell haben die Wissenschaftler*innen zunächst Maßnahmen simuliert, um die Verbreitung des Virus unter Kontrolle zu bekommen. Dazu zählen individuelle Vorsichtsmaßnahmen, die Reduktion privater sozialer Kontakte (Social Distancing), Homeoffice (dadurch Reduzierung der Kontakte am Arbeitsplatz) und die sektor-spezifische Einschränkung des Konsums. Die Forscher*innen haben vier wirtschaftliche Sektoren ausgemacht: produzierendes Gewerbe, Service, essenzielle Güter und öffentlicher Sektor. In seinem Vortrag legt Prof. Herbert Dawid seinen Fokus auf Maßnahmen zur Einschränkung des Konsums. „Es geht um die Frage: Wann und wie stark will ich einschränken?“, macht der Vize-Direktor des Instituts für Mathematische Wirtschaftsforschung deutlich. Eine Simulation, was im Zeitraum März bis September ohne Maßnahmen passiert wäre, zeigt, dass eine schnelle „Durchseuchung“ stattgefunden hätte mit einer hohen Zahl an Verstorbenen und zwar 1,5 Prozent der Gesamtbevölkerung. Hätten lediglich individuelle Vorsichtsmaßnahmen, wie z. B. Reduzierung der privaten Kontakte und das Tragen von Masken, stattgefunden, hätte die Anzahl der Intensivbetten nicht ausgereicht und das Gesundheitssystem wäre überfordert gewesen.
Anhand verschiedener Politik-Parameter (Intensität des Lockdowns mittels Reduktion des Konsums im produzierenden Gewerbe/Service, Inzidenz-Schwellenwert für Rückkehr in den Lockdown, Reduktion der ökonomischen Aktivität nach Ende des Lockdowns) können unterschiedliche Verläufe durchgespielt werden. Was passiert bei einem frühen strikten Lockdown, was bei beim frühen schwachen Lockdown? Und welche Entwicklungen wären bei einem späten strikten Lockdown, was bei einer schwachen Öffnung und was bei einem schwachen Lockdown samt schwacher Öffnung zu beobachten?
Bei der Simulation der verschiedenen Szenarien liegt der Fokus darauf, ob die Zahl der Infizierten einen Wert überschreitet, so dass die vorhandene Zahl an Intensivbetten nicht mehr ausreicht. Dabei zeigt sich, dass ein harter frühzeitiger Lockdown über mehrere Wochen, der mit der Schließung der Geschäfte einhergeht, epidemiologisch erfolgreich ist. Die Zahl der Infektionen und der Verstorbenen sinkt. Dies hat natürlich entsprechende Auswirkungen auf die Wirtschaft. Doch, wenn die Maßnahmen nur kurz durchgeführt werden, besteht die Gefahr eines neuerlichen Lockdowns, was nicht nur die Anzahl der Menschen erhöhen, die durch das Virus sterben, sondern auch die wirtschaftlichen Verluste, die insgesamt entstehen.
Insgesamt liefern lang-andauernde „schwache“ Einschränkungen wirtschaftlicher Aktivität oder eine schwache Öffnung nach einem ersten Lockdown im ökonomischen UND epidemiologischen Sinne bessere Ergebnisse als Politiken mit striktem Lockdown und starker Öffnung. Dabei erscheint ein Inzidenzwert von 50 deutlich zu hoch. Die Wissenschaftler*innen empfehlen einen Wert von 5 Infizierten pro 100.000. Bezüglich der Intensität des Lockdowns gibt es einen Trade-off zwischen der Reduktion der Anzahl Infizierter und der ökonomischen Kosten. Auf die Frage, wie lange Deutschland sich noch Unterstützungsmaßnahmen leisten kann, hat Prof. Herbert Dawid eine prägnante Antwort: Würde man die Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen streichen, würden u. a. durch Insolvenzen deutlich höhere Kosten verursacht.
Im Anschluss an den Vortrag gab es noch einige Fragen und Anmerkungen der zugeschalteten Partner*innen. WEGE-Prokuristin Brigitte Meier verabschiedete sich zusammen mit den Kolleginnen von „Das kommt aus Bielefeld“ für 2020 und kündigte die Fortsetzung der virtuellen Partnertreffen in 2021 an: am 14. Januar zum Thema „Wie funktionieren selbstorganisierte Teams?“
{{ wjob.title.rendered}} | {{ wjob.unternehmen.name }} |
---|
Job-Bezeichnung
|
Unternehmen
|
---|---|
Keine freien Stellen gefunden.
Partner können nicht geladen werden.
Es scheint ein technisches Problem zu geben, versuchen Sie es später noch einmal.
Produkte und Dienstleistungen können nicht geladen werden.
Es scheint ein technisches Problem zu geben, versuchen Sie es später noch einmal.
Artikel können nicht geladen werden.
Es scheint ein technisches Problem zu geben, versuchen Sie es später noch einmal.