„Ich höre immer wieder von Kundinnen und Kunden: ,In meiner Branche ist es besonders schwer, Fachkräfte zu finden.‘ Dabei ist es mittlerweile – auch durch die Corona-Pandemie beschleunigt – in wirklich allen Branchen besonders schwer“, skizziert der Geschäftsführer des 2017 gegründeten Unternehmens persomatch die Ausgangslage. Auch mit Blick auf die Geburtenrate. Die erreichte 1964 mit knapp 1,4 Millionen Geburten einen Höhepunkt; heute liegt die Zahl bei etwa der Hälfte. Kritisch wird es auch, weil sich die sogenannten Babyboomer allmählich in Richtung Rente verabschieden. So entsteht auf dem Arbeitskräftemarkt eine eklatante Lücke, die Unternehmen vor enorme Herausforderungen stellt. „Daraus folgt, dass Unternehmen nicht mehr auf dieselbe Art und Weise und nicht mehr mit demselben Budget Personal gewinnen können wie noch vor fünf bis zehn Jahren“, betont der Recruiting-Fachmann.
Sind Google-Anzeigen die Lösung, um alle Bewerber*innen für alle Branchen zu erreichen? „Ich würde andersherum fragen: Kann es sich ein Unternehmen leisten, nicht über Google-Anzeigen präsent zu sein?“, so Tristan Niewöhner. Aus seiner Sicht muss das Thema neu gedacht werden. „Die Methoden, die Unternehmen zur Kundengewinnung einsetzen, müssen auf die Personalgewinnung übertragen werden. Zeit und Geld müssen investiert werden, um als Unternehmen weiterhin erfolgreich zu sein. „Wenn ich beispielsweise mit Handwerksbetrieben spreche, höre ich immer wieder, dass die Auftragsbücher so voll sind, dass der Betrieb gut das Doppelte, wenn nicht das Dreifache an Aufträgen annehmen könnte. Der Flaschenhals sind fehlende Mitarbeitende.“
Die Antwort darauf ist sehr einfach. Jeder kennt Google und bis zu 98 Prozent nutzen die Suchmaschine – auch für die Stellensuche. „Durch die De-facto-Marktführerschaft lässt sich nahezu jede Zielgruppe erreichen. Es werden jeden Monat 70 Millionen Suchanfragen zum Thema Job gestellt“, berichtet Tristan Niewöhner. Anders als bei LinkedIn und Co. deckt Google jede Altersgruppe ab. Bei den Jüngeren suchen 85 Prozent ihren Ausbildungsplatz bei Google. „Der große Vorteil ist, dass man Stellenanzeigen extrem genau targetieren kann“, so der persomatch-Geschäftsführer. „Und wer eine Suchanfrage startet, der ist empfänglich und an dem Thema interessiert. Das ist beispielsweise bei der Plakatwerbung anders. Da fahren jeden Tag tausende Personen daran vorbei, die gar nicht auf Jobsuche sind – oder zumindest nicht für den plakatierten Job. Die Stellenanzeigen bei Google kann man auch gezielt regional einsetzen. Man muss die Anzeige nicht deutschlandweit schalten, sondern kann den Radius sehr genau eingrenzen.“
Bei persomatch haben wir ein Team von 25 Mitarbeitenden und wir versuchen, der bestmögliche Arbeitgeber zu sein.
Tristan Niewöhner
Und auch die Inhalte der Stellenanzeigen haben sich gewandelt. Früher waren die Formulierungen und Anforderungen, die an die Bewerbenden gestellt wurden, eher als Maximalforderungen eines Unternehmens formuliert. Die explizite Wunschliste führte dazu, dass sich schon beim Lesen der Annonce nicht allzu viele angesprochen gefühlt haben dürften – es war die sprichwörtliche „eierlegende Wollmilchsau“, die gesucht wurde. „Heute sind Unternehmen froh, wenn sich auf ihr Stellenangebot überhaupt jemand meldet. Bei Stellenanzeigen würde ich zu einer übersichtlichen Gestaltung mit Spiegelstrichen raten. Und man sollte die allgemein gebräuchlichen deutschen Stellenbezeichnungen aufführen, um im Netz besser gefunden zu werden. Manchmal sind Personaler sehr kreativ darin, neue Bezeichnungen – gern englischsprachige – zu „erfinden“. Die werden jedoch so in der Form gar nicht gesucht.“
Das Recruiting hört nicht bei der Stellenanzeige auf, sondern ist ein großer Prozess, und den gilt es für die Bewerberinnen und Bewerber so leicht wie möglich zu gestalten. Dazu gehört eine übersichtliche und ansprechende Homepage – oft der erste Berührungspunkt, den potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten mit dem Unternehmen haben. „Das Bewerbungsformular sollte wie beim klassischen Produktmarketing sein – so einfach wie möglich. Viele Unternehmen verzichten bereits auf ein Anschreiben, da es meist ohnehin aus Floskeln besteht und wenig Informationsgehalt hat. Einige gehen sogar dazu über, dass Bewerbende lediglich mit einem Klick um einen Rückruf des potenziellen Arbeitgebers bitten.“ Auch Bewerbungsgespräche, die früher eher „einem Verhör ähnelten“ als einem Kennerlernen von potenziellen neuen Arbeitskräften, werden heute anders geführt.
Selbst in Zeiten der Digitalisierung hat die Mund-zu-Mund-Propaganda nicht ausgedient. Empfehlungsmarketing ist ein Teil des Crowd Recruitings. „Menschen, die ihren Freunden ihren Arbeitgeber empfehlen, sind besonders authentisch. Diese Empfehlung hat eine hohe Verlässlichkeit. Problematisch wird es allerdings, wenn dem Mitarbeiter, der das Unternehmen empfiehlt, sehr hohe Prämien gezahlt werden“, betont Tristan Niewöhner.
Die Situation, dass vielerorts Arbeitskräfte das knappste Gut sind, führt zu einer Veränderung im Kräfteverhältnis zwischen Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen. „Wenn die Rahmenbedingungen nicht passen, wird recht schnell der Job gewechselt“, betont Tristan Niewöhner.
Das gilt übrigens auch für Auszubildende. Vor ein paar Jahren war es das Ziel, die besten Bewerberinnen und Bewerber für eine Ausbildung zu gewinnen; jetzt freut man sich auch über andere und jeden, der die Ausbildung überhaupt abschließt. Denn die Quote der Abbrecher steigt. Das führt zu einem allmählichen Umdenken. „Bei persomatch haben wir ein Team von 25 Mitarbeitenden“, sagt Tristan Niewöhner, „und wir versuchen, der bestmögliche Arbeitgeber zu sein.“ Eine gute Arbeitsatmosphäre hilft bei der eigenen Personalsuche, aber auch dabei, die Mitarbeitenden an das Unternehmen zu binden.
„Sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren, ist – neben dem positiven Grundgedanken, dafür zu sorgen, dass es dem eigenen Personal gut geht – heutzutage schlicht und ergreifend notwendig, damit man für die wenigen wechselwilligen potenziellen Bewerber, die es derzeit gibt, ein lohnenswertes Ziel für eine Bewerbung ist“, betont Tristan Niewöhner.
„Der Arbeitskräftemangel wird uns weiterhin begleiten“, ist sich Tristan Niewöhner sicher. „In einigen Branchen wurde der Mangel etwas abgemildert, weil Corona-bedingt weniger Personal eingestellt wurde. Künftig werden Unternehmen vor der Herausforderung stehen, überhaupt Mitarbeitende zu finden – auch weniger geeignete. Und sie müssen sich darauf einstellen, dass sie vielleicht nicht den von Anfang an perfekten Mitarbeiter finden, sondern dass sie mit Quereinsteigern oder Personen arbeiten, die man „on the job“ entsprechend weiter ausbildet oder zusätzlich qualifiziert“
Die Digitalisierung im Sinne von Automatisierung oder auch die Gewinnung von ausländischen Arbeitskräften können den Mangel nur sehr bedingt abfedern. Der Schwund an Arbeitskräften ist schneller als der Fortschritt bei der Automatisierung von Arbeitsprozessen. „Das Thema Migration anzugehen, halte ich für volkswirtschaftlich sinnvoll“, sagt Tristan Niewöhner. „Aber häufig entscheiden sich Arbeitskräfte eher für den englischsprachigen Raum. Insgesamt führt der Mangel an Arbeitskräften in letzter Konsequenz zu einem Wohlstandsverlust. Wir beobachten schon jetzt steigende Preise in der Gastronomie. Und wenn bald nur noch wenige Handwerker zur Verfügung stehen, wird der Bau eines Hauses eine Angelegenheit für reiche Menschen.“
Fazit: „Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen den Gedanken verinnerlichen, dass sie sich wirklich bemühen müssen, um Arbeitskräfte zu gewinnen. Und dabei berücksichtigen, dass heute alles im Internet bewertet wird – auch der Arbeitgeber, zum Beispiel auf dem Portal kununu, das mit seiner enormen Reichweite die Entscheidung von Bewerberinnen und Bewerbern maßgeblich beeinflussen kann. Sich als guter Arbeitgeber zu positionieren, ist nicht „nur“ für die Personalgewinnung entscheidend, sondern sorgt auch dafür, dass vorhandene Mitarbeitende im Unternehmen bleiben.“
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