18. Oktober 2022
Im Gespräch mit Andreas Engelhardt

Schüco ist auch nicht mehr das, was es mal war

DKAB

Der Satz prangt bei Schüco auf dem schwarzen Kubus. Blickt man auf den dahinterliegenden neuen Campus, wird schnell klar: Hier ist eine ganze Menge in Bewegung. Das Bielefelder Unternehmen, einer der Technologieführer für Gebäudehüllen und weltweit bekannt für Fenster-, Türen- und Fassadensystemen, arbeitet permanent daran, sich zukunftsweisend aufzustellen und will Vorreiter in puncto Nachhaltigkeit sein. Die Baubranche verursacht schätzungsweise etwa 40 Prozent der Treibhausemissionen weltweit. Da ist viel Raum für Optimierung, den Schüco mit rund 6.300 Mitarbeitenden in 80 Ländern nutzen will.  

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In zugleich visionärer, aber auch typisch bodenständiger ostwestfälischer Mentalität fängt man beim Thema Nachhaltigkeit direkt vor der eigenen Haustür an. Auf dem Firmengelände am Stammsitz  Bielefeld wurde in den vergangenen Jahren fleißig um-, neu- und ausgebaut. Das Ergebnis ist beeindruckend. Das Gebäudeensemble bildet den Schüco Campus. Hier zeigt das Unternehmen anschaulich am Objekt, welche innovativen Produkte die Baubranche in Sachen Nachhaltigkeit nach vorne bringen. 

CEO Andreas Engelhardt nimmt uns mit auf einen Spaziergang über den Schüco Campus, der zugleich ein riesiger Showroom ist. Neu gebaut und in prominenter Position: Schüco One. „Das ist unsere neue Unternehmenszentrale, zusammen mit dem alten Verwaltungssitz von 1974″, berichtet der persönlich haftende Gesellschafter, der seit zehn Jahren die Geschicke des Unternehmens leitet. Seit 2012 verwendet Schüco bundesweit übrigens zu 100 Prozent Öko-Strom. Damit wird auch die sich drehende goldfarbene Krone auf dem Dach – das Wahrzeichen des 1951 gegründeten Unternehmens – betrieben.

Schüco One steht beispielhaft für modernes Arbeiten. Das in Weiß gehaltene mit warmen Holztönen versehene Interieur mit seinen Rundungen und einem imposanten lichtdurchfluteten Atrium erinnert an das Guggenheim Museum in New York. Besprechungsräume, Büros, Kaffeebars, Ruheräume, Stillräume und andere Orte des Rückzugs für die Mitarbeitenden sind so konzipiert, dass sie sich wohlfühlen, die Kommunikation miteinander vereinfachen und den Wissensaustausch fördern. „Im Juli sind wir eingezogen“, erzählt Andreas Engelhardt, „und mir geht jeden Morgen das Herz auf, wenn ich sehe, dass unsere Mitarbeitende es gut finden, wie wir ihre neuen Arbeitsplätze gestaltet haben.“ Diese können sich aussuchen, ob sie an ihren Arbeitsplätzen arbeiten möchten, sich für ein Telefonat in einen geräuschabsorbierenden Sessel zurückziehen oder ihren Laptop mit nach draußen nehmen. „In die hochmodernen LED-Laternen an den Wegen haben wir WLAN integriert, so dass überall auf dem Campus der Empfang gut funktioniert”, ergänzt Pressesprecher Thomas Lauritzen. „An den Außenanlagen wird momentan unter Hochdruck gearbeitet. Wir legen einen Teich an und schaffen auf der Achse von einem Ende des Geländes quer über den den gesamten Campus so viel Grün wie möglich. “

Das Welcome Forum im Zentrum des Campus’ ist das Herzstück. Direkt neben dem neuen Parkhaus, ausgestattet mit E-Ladestationen, ist es erste Anlaufstelle für Besucher*innen. Neben der  Präsentation von Innovationen in Technologie und Services können Kund*innen in einem großzügig angelegten Fabrication-Showroom die Schüco Maschinen in Aktion erleben. Von den Meetingräumen eine Etage darüber kann der Produktionsprozess durch große transparente Elemente live verfolgt werden. In einem acht Meter hohen Showroom werden die aktuellen Produktinnovationen präsentiert.  Ein modernes Café samt ansprechendem Mobiliar und Außenterrasse sind weitere Annehmlich-keiten, mit denen Schüco das Markenerlebnis abrundet. 

Herr Engelhardt, Sie haben rund 95 Millionen Euro am Standort Bielefeld investiert. Welchen Überlegungen folgte die Planung des Schüco Campus’?

Wir haben eine große Leidenschaft fürs Bauen und den Campus lange geplant. Wir haben uns viele Gedanken gemacht. Nicht nur welche Materialien wir verwenden, sondern, ob auch der Betrieb der Gebäude, wenn unsere Mitarbeitenden sommers wie winters in den Büros arbeiten, wirklich nachhaltig ist. Außerdem wollten wir unsere innovativen Produkte erlebbarer machen. Meine Großmutter hat immer gesagt, was die Leute nicht sehen und anfassen können, das kaufen sie auch nicht. Und trotz aller Vorteile, die die Digitalisierung bietet, hat sie mit dieser Haltung immer noch recht. 

Welchen Stellenwert nimmt Zirkularität bei Schüco ein?

Das ist einer unserer großen Hebel. Wir arbeiten bei unseren Fenster-, Türen- und Fassadensystemen überwiegend mit Aluminium und Kunststoff. Das kostet erst mal viel Energie. Aber bestehende Gebäude sind die Rohstofflager der Zukunft. Aluminium kann zu 100 Prozent unendlich oft wiederverwertet werden. Wenn wir Aluminium recyceln, können wir das Material mehrfach mit geringerem Energieaufwand und ohne Qualitätsverlust wieder verwenden. Unsere Aufgabe ist es, unsere Produkte so zu konstruieren, dass man sie ausbauen und sortenrein trennen kann, damit das Material im Kreislauf bleibt. Die Herausforderung besteht darin, die verbauten Elemente ausfindig zu machen, auszubauen, abzutransportieren, um die Rohstoffe im Kreislauf zu halten. Das ist nicht banal. Unsere aktuellen Produktsysteme können mit einem Chip ausgestattet werden, so dass wir genau wissen, in welchem Gebäude sie verbaut werden. Problematischer ist es, den Standort von Materialien, die vor etlichen Jahren verbaut wurden, zu identifizieren. Aber wir brauchen die Zirkularität, weil wir in Deutschland nahezu keine Rohstoffe haben. 

Dabei  helfen innovative Produktentwicklungen?

Genau. Mittlerweile haben wir 57 vollständig kreislauffähige Systemlösungen nach dem Craddle2Craddle Prinzip im Markt entwickelt – und es werden immer mehr. Um diesen nachhaltigen Weg konsequent weiterzugehen, brauchen wir dringend Fachkräfte. Deshalb bilden wir den Nachwuchs selbst aus. Mit der von uns ins Leben gerufenen Initiative „Metallbaut Zukunft“ versuchen wir, junge Menschen für den Metallbau zu gewinnen. Neben den eigenen Produktinnovationen setzen wir auch auf Kooperationen mit spezialisierten Firmen, zum Beispiel bei Schiebetüren. Wir müssen das Rad ja nicht jedes Mal selbst neu erfinden. 

Um die Klimaschutzziele zu erreichen, müssen bis spätestens 2050 rund drei Viertel der rund 22 Millionen Gebäude in Deutschland klimaneutral saniert werden. Das sind rund 2.500 Gebäude jeden Tag. Welchen Beitrag kann Schüco dazu leisten?

Bei der Sanierung von Gebäudebeständen ist die energieeffiziente Gebäudehülle der Schlüssel zum Erfolg. Mit unseren Fenstern, Türen und Fassaden können wir einen enormen Beitrag leisten, Gebäude energietechnisch sicher und effizient zu gestalten. Licht und Wärme sind dabei von entscheidender Bedeutung. Auch unsere digitale Kompetenz, Stichwort Smart Home, hilft auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Das fängt beispielsweise bei einer optimalen Steuerung der Wärme  an. Ein weiteres Thema sind grüne Fassadensysteme. In Städten haben wir zu viele versiegelte Flächen. Da brauchen wir dringend mehr grüne Flächen, um der Aufhitzung unserer Metropolen entgegenzuwirken. Mit dem European Green Deal will Europa vorangehen. Das ist der richtige Schritt, denn die Atmosphäre kennt keine Grenzen. 

Welche Klimaziele hat sich Schüco gesetzt?

Wir wollen als Unternehmen bis 2040 vollständig über die gesamte Wertschöpfungskette klima-
neutral sein. Ein Greenwashing darf es dabei nicht geben. Wir veröffentlichen alle zwei Jahre unseren Nachhaltigkeitsbericht und sagen offen, wenn ein gestecktes Klimaziel noch nicht erreicht wurde. Transparenz bedeutet, dass unsere Aussagen nachprüfbar sind. Deshalb stellen wir unsere Berichterstattung unter die neutrale Aufsicht des WWF. Wir verstehen uns als Vorreiter und möchten mit gutem Beispiel vorangehen. Wir haben ein Interesse daran, dass unsere Branche von unserem gewonnenen Know-how profitiert. Für Nachhaltigkeit ist nicht die Nachhaltigkeitsabteilung verantwortlich. Vielmehr trägt hierzu jede Abteilung weltweit bei, um die Klimaneutralität 2040 auch zu erreichen.  

Spüren Sie einen Spagat Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit?

Als Familienunternehmen haben wir eine Verantwortung – für das Klima und für unsere rund 6.300 Mitarbeitenden. Dabei reden wir von 6.300 Familien mit durchschnittlich 3 Personen. Zusammen mit unseren Partnerinnen und Partnern, Lieferanten beispielsweise, tragen wir mit unseren Entscheidungen die Verantwortung für etwa 25.000 Menschen. Ich finde es wichtig, dass wir uns das von Zeit zu Zeit ins Gedächtnis rufen. Das ist keine Last, sondern Lust, und es hilft dabei, sich zu erden. Nachhaltige Produkte werden von unserer Kundschaft immer stärker nachgefragt, damit generieren wir einen guten Umsatz.

Wie sehen die Gebäude der Zukunft aus?

Gebäude müssen so beschaffen sein, dass sie eine flexible Nutzung ermöglichen. Arbeit und Leben wird künftig noch stärker miteinander verknüpft sein. Die Herausforderung ist, die Schnittstellen der unterschiedlichen Gewerke so zu vernetzen, dass die optimale Lösung dabei herauskommt. Die Gebäude werden mit vielen intuitiv bedienbaren Elementen und Automatismen ausgestattet. Wir haben diese digitalen Systeme und Services dafür. Sie sehen, Schüco ist wirklich nicht mehr das, was es mal war (lacht). 

Text: Eike Birck
Fotos: Artgerecht

Auszug aus: DAS KOMMT AUS BIELEFELD, Ausgabe 2022: Perspektiven

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