„Das war eigentlich nicht unser Plan“, lacht Martin Middelanis. „Das hat sich wirklich ganz allmählich so entwickelt.“ Nach einem gemeinsamen Konzertbesuch der „Ärzte“ in Berlin saßen die Freunde bei einem Spiel zusammen und stellten bald fest, dass dieses einfach nur langweilig war. „Dann haben wir angefangen zu überlegen, wie wir ein Spiel gestalten würden. Das war vor sechs Jahren“, erinnert sich Martin Middelanis, der heute im Masterstudium Plurale Ökonomik studiert. Immer wieder setzten sich die Freunde zusammen, überklebten alte UNO-Karten und zeichneten ein Brett. „Vier bis fünf Jahre haben wir nur unter uns gespielt. Das war eine ganz begrenze Sache. Dann wurden Freunde von uns darauf aufmerksam und haben mitgespielt.“
Und die fanden das Spiel richtig gut. Bei den ganzen positiven Rückmeldungen kamen dann erste Überlegungen, das Spiel ernsthaft auf den Markt zu bringen. „Wir dachten, das ist ja nun ganz einfach. Aber das Spiel war doch noch nicht so wirklich fertig“, schmunzelt Martin Middelanis rückblickend. „Wir hatten 185 Karten und 54 verschiedene Regeln definiert, diese aber nicht schriftlich festgehalten.“
Also musste erst mal eine richtige Spielanleitung geschrieben werden. Etwa 100 Testspielende prüften spielerisch den „Großen Reibach“, wie das Spiel später heißen sollte, auf Herz und Nieren. „Durch das Feedback haben wir viele Änderungen vorgenommen und das Spiel hat dadurch einen massiven Schub nach vorn erhalten. Wir konnten so einige Schwachstellen eliminieren.“
Sehr schnell wurde deutlich, dass wenn die vier ihr Spiel an einen Verlag verkaufen würden, sie so gut wie kein Mitspracherecht mehr hätten, was beispielsweise die grafische Darstellung und etwaige Regeländerungen anbelangt. Und da Nils Bünger, der momentan Physik und Philosophie studiert, schon ein bisschen Erfahrungen mit Gründungen gesammelt hatte, waren sich die Schulfreunde schnell einig, dass sie ein eigenes Unternehmen gründen wollten, um ihre Vorstellungen 1:1 umsetzen zu können. Dazu gehörte auch der Anspruch, das Spiel komplett nachhaltig zu produzieren. Treibende Kraft war hierbei der jüngere Bruder von Martin Middelanis, Thomas, der Landschaftsökologie studiert.
Das gestaltete sich übrigens deutlich schwieriger als erwartet. Umweltverträglich hergestellte Spiele scheinen nicht oben auf der Agenda der Spieleverlage zu stehen. Schließlich wurden die vier Bielefelder bei einer ganz „normalen“ Druckerei, die sonst nichts mit Spielen zu tun hat, fündig. „Das war ein echter Glücksgriff“, sagt Martin Middelanis. „Dadurch hat das Spiel eine hohe Qualität und konnte ökologisch nach höchsten Standards produziert werden. Die Zeichnungen hat mein Cousin Simon, der auch schon beim Ärzte-Konzert in Berlin dabei war, neben seinem eigentlichen Job gemacht gemacht. Die farbenfrohen Kolorationen stammen von unserer Layouterin Laura.“ Die höheren Kosten durch die nachhaltige Produktion wurden übrigens nicht komplett auf den Verkaufspreis aufgeschlagen.
1.000 Spiele wurden zunächst produziert. Durch das Crowdfunding konnten im April und Mai schon 230 Spiele verkauft werden. Der richtige Verkauf startete im August. Beworben wird das spannende Brettspiel vor allem über Social Media. Um diesen Bereich kümmert sich Nils Büteröwe, der Maschinenbau studiert. „Der große Reibach“ kann von 2 bis 5 Personen gespielt werden und versetzt diese in die Position von skrupellosen Banker*innen, denen jedes Mittel recht ist, ihrer Kundschaft das Geld aus der Tasche zu ziehen. Auch wenn der Spaß im Vordergrund steht, so haben die Erfinder des Spiels natürlich nichts dagegen, wenn der eine oder die andere zum Nachdenken über das Bankenwesen angeregt wird. Denn als Folge von Lebensmittelspekulation explodieren Preise für Grundnahrungsmittel weltweit. Viele Menschen in Ländern des globalen Südens können sich ihre tägliche Mahlzeit nicht mehr leisten. Sie müssen hungern oder vor dem Hungertod fliehen.
Den großen Reibach werden die vier Studenten mit ihrem Spiel selbst nicht machen, aber das war und ist auch nicht der Anspruch. Vielleicht wird es künftig noch ein weiteres Spiel aus dem Hause Kasimir Hahn Spielefabrik geben. Die derzeitige Situation auf dem Wohnungsmarkt bietet jedenfalls viel Stoff für neue Ideen.
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