Effektive Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung im Mittelpunkt
Strategische Nachhaltigkeit im Fokus
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Der German Stevie® Award 2024 „Gold“ in der Sparte „Wiederverwendung und Recycling“ geht an den Standort Bielefeld der ZF Friedrichshafen AG. Über den hochkarätigen Wirtschaftspreis für die deutschsprachige europäische Unternehmenswelt freut sich Standortleiter Jörg Witthöft ganz besonders. Er ist eine Bestätigung für die Anstrengungen des gesamten Teams des Remanufacturing-Standorts, der auf die Wiederaufbereitung von Antriebsstrangmodulen für den globalen Aftermarket spezialisiert ist.
Recyceln geht vor Entsorgen – diese Prämisse wird in Bielefeld bei ZF schon seit 1963 gelebt. Bedingt durch Materialengpässe und hohe Kosten für die Rohstoffe war schon vor über 60 Jahren die Aufbereitung von Altteilen eine Notwendigkeit. Heute ist diese Art des nachhaltigen Wirtschaftens fester Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategie und gehört untrennbar zur Philosophie des Konzerns. Sie ist Geschäft und Philosophie zugleich. „Mit geschlossenen Kreisläufen sparen wir CO2 und Material ein, machen uns von ausländischen Märkten unabhängig und können unsere Produkte zu einem attraktiven Preis anbieten“, erklärt Jörg Witthöft. Um Materialien im Kreislauf zu halten, muss die Produktentwicklung von Anfang an darauf ausgerichtet sein, Produkte so zu gestalten, dass Ressourcen leicht rückbaubar sind und Altteile effizient zurückgeführt werden können.
Wir sind alle intrinsisch motiviert und voller Begeisterung für das Thema. Das wollen wir auch allen Kolleginnen und Kollegen im Werk vermitteln.
Jörg Witthöft
Blick auf Praxis und Vision
Der Konzern mit Sitz in Friedrichshafen hat eine Nachhaltigkeitsstrategie aufgesetzt, die vom Vorstand gelebt wird. Das Ziel ist es, bis 2040 Scope 1 und 2 zu erreichen und bis 2030 zu 100 Prozent Grünstrom zu verwenden. Aufgrund der langjährigen Erfahrung und des Engagements der Werksleitung ist der Remanufacturing-Standort Bielefeld – einer von weltweit 20 – hier einen Schritt weiter und deckt schon seit 2018 seinen Strombedarf zu hundert Prozent aus erneuerbaren Energiequellen. Bereits jetzt sind 100 Prozent der Produktpalette nach dem „Cradle-to-Cradle“-Standard für konsequente Kreislaufwirtschaft am Standort Bielefeld zertifiziert. Ein anspruchsvolles Audit, denn das Zertifikat muss alle zwei Jahre erneuert werden. Bei ZF in Bielefeld gibt es keine eigene Abteilung für Nachhaltigkeit und keinen Sustainability Manager. Neben dem Werksleiter Jörg Witthöft kümmern sich ein Meister und der Arbeitsvorbereitungsleiter um nachhaltiges Wirtschaften. „Wir sind alle intrinsisch motiviert und voller Begeisterung für das Thema. Das wollen wir auch allen Kolleginnen und Kollegen im Werk vermitteln“, berichtet Jörg Witthöft. „Wir erlauben unseren Disponenten, dass sie bei ihrer Kalkulation Fehler machen dürfen. Wenn wir es uns einfach machen wollten, würden wir alle Teile neu kaufen, dann könnten wir genau kalkulieren, was wir brauchen, um einen Erfüllungsgrad von 100 Prozent bei der Produktion zu erreichen. Weil wir aber mit rückgeführten Altteilen in ganz unterschiedlichen Zuständen des Verschleißes arbeiten, ist es immer möglich, dass sich der Disponent verschätzt und wir Einzelteile dazu kaufen müssen. Das ist so gewollt, denn unser Fokus liegt ganz bewusst auf den Altteilen.“
Anspruchsvolle Aufbereitung
Täglich werden zwischen 40 und 50 Tonnen an gebrauchten Aggregaten in Bielefeld angeliefert. Im Jahr kommen somit rund 10.000 Tonnen zusammen – das entspricht dem Gewicht des Eiffelturms. „Die Kupplungen kommen in ganz unterschiedlichen Zuständen ungeordnet zu uns zurück. Die Sortierung muss deshalb von Menschen erfolgen. Die Aggregate werden in Einzelkomponenten zerlegt, gereinigt, geprüft, aufgearbeitet und wieder montiert. Eine Kombination aus automatisierten Prozessen unter Einsatz von KI und menschlichem Know-how mit der nötigen Flexibilität ist dabei unerlässlich, da der Bielefelder ZF-Standort auftragsbezogen arbeitet. Gefertigt werden Kupplungsdruckplatten, Kupplungsscheiben, Ausrücksysteme, Zweimassenschwungräder und Drehmomentwandler. Die Teile werden nicht einfach nur repariert, sondern aufbereitet – ein großer Unterschied. Denn Lkw werden in Hinblick auf Drehmomente und PS-Zahlen immer leistungsfähiger. Beispielsweise werden Kupplungsbeläge nach neuestem Stand der Technik in das aufzubereitende Teil eingebaut, damit die Kupplung dieselbe Kilometerleistung wie bei Neuprodukten erreicht.
Zurück in den Kreislauf
Die Rückführung der Altteile ist der entscheidende Faktor, damit der Kreislauf funktioniert. Für ZF-Kunden, hierzu zählen fast alle namhaften Hersteller der Automobilindustrie, ist die Rücknahme von zerschlissenen Kupplungen preislich attraktiv. Die Rückführungsquote liegt zwischen 80 und 90 Prozent. „Das ist wie beim Pfandsystem“, nennt Jörg Witthöft ein anschauliches Beispiel. „Sie bringen eine Kiste Wasser zum Supermarkt und nehmen eine neue wieder mit. Dann bezahlen Sie auch nur den Preis für das Wasser selbst und nicht erneut für Flaschen und Kiste. Unsere Kunden sind damit zugleich unsere Lieferanten.“ Insbesondere für Kunden aus Skandinavien hat Nachhaltigkeit einen hohen Stellenwert. Während vor einigen Jahren mit den Einkäufer*innen primär über den Preis gesprochen wurde, sitzt heute zum Teil ein Sustainability Manager mit am Verhandlungstisch. Nachhaltigkeit ist ein Thema, das von den rund 200 Mitarbeitenden gelebt wird, die sich voll mit der Unternehmensstrategie identifizieren können. „Wir organisieren Familientage, damit sich auch die Angehörigen ein Bild davon machen können, wie wir hier arbeiten und unsere Mitarbeitenden sind stolz darauf“, berichtet Jörg Witthöft und freut sich über eine sehr geringe Fluktuation innerhalb der Belegschaft, die unter einem Prozent liegt.
Wirtschaftlichkeit von Aufarbeitung und Remanufacturing
Oft wird Jörg Witthöft gefragt, ob sich Aufarbeitung überhaupt wirtschaftlich lohnt. Eine Frage, die er sehr klar mit ja beantworten kann. „Bei einer Kupplung sind es ja gerade Materialkosten, die wir einsparen. Auch wenn meine Lohnkosten beim Remanufacturing-Prozess etwas höher sind, dann habe ich doch schon gewonnen. Außerdem mache ich mich unabhängig von Lieferanten aus China oder Indien. Gerade während der Corona-Pandemie haben wir die negativen Auswirkungen der Abhängigkeiten zu spüren bekommen.“ Bei den ZF-Kupplungen, die etwa 40 Kilogramm wiegen, bleiben 98 Prozent der Einzelteile im Kreislauf – lediglich 800 Gramm Schrauben und Nieten können nicht direkt wiederverwertet werden. Unternehmen, die mit ihrer Nachhaltigkeitsstrategie noch am Anfang stehen, rät der engagierte Werkleiter, sich an guten Beispielen zu orientieren, in den Austausch mit anderen zu gehen und ganz einfach anzufangen. Jeder Schritt in Richtung mehr Nachhaltigkeit ist ein Gewinn. „Ich möchte, dass meine Kinder und kommende Generationen eine lebenswerte Zukunft haben.“
Der Standort Bielefeld der ZF Friedrichshafen AG wurde bereits mehrfach für sein Engagement in puncto Kreislaufwirtschaft ausgezeichnet. So gab es 2018 den Umweltpreis der Stadt Bielefeld, im Sommer 2023 den Deutschen Award für Nachhaltigkeitsprojekte für die Vision eines Standorts ohne Abfall in der Kategorie „Recyclingkonzept“, im November 2023 den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2024 in der Kategorie Automobilindustrie und im März 2024 den German Stevie® Award 2024.