2. Oktober 2024
Der VSME unter der Lupe

Vereinfachte Nachhaltigkeitsberichterstattung für KMU

Green Innovation Weeks – Veranstaltung VSME im Pioneers Club

DKAB Partner Stories

Auch nicht kaptimalmarktorientierte KMU sollten sich mit dem Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung auseinandersetzen. Das verdeutlichten Alexander Theek, Rechtsanwalt und zertifizierter Sustainability-Auditor (IDW), und Louis Schulze, Mitgründer des Bielefelder Unternehmens sustaind, eindrücklich als sie über den VSME-Standard während der Green Innovation Weeks informierten. Aktuell wird der Standard für die freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung noch weiterentwickelt. Doch sich als KMU auf den Weg zu machen, gewinnt an Bedeutung. Schon jetzt sorgt der sogenannte Trickle-down-Effekt dafür, dass KMU durch Geschäftspartner*innen indirekt betroffen sind, Nachhaltigkeitsinformationen bereitzustellen.

Louis Schulze

Nicht kapitalmarktorientierte kleinste, kleine und mittlere Unternehmen sind von der gesetzlichen Pflicht, einen Nachhaltigkeitsbericht nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und den Europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards (ESRS) zu erstellen, ausgenommen. Sie können stattdessen freiwillig nach dem VSME-Standard ihre Nachhaltigkeitsziele und -projekte dokumentieren. Deswegen hat die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) Anfang 2024 einen Standard für die vereinfachte, freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung vorgelegt: den Entwurf des Voluntary Small and Medium-sized Enterprises-Standard (VSME). „Doch da steckt noch Dynamik drin“, wie Alexander Theek weiß. In der Aachener Kanzlei VBR unterstützt er als Head of Sustainability Services große Unternehmen bei der Erfüllung der Nachhaltigkeitsberichtspflichten sowie KMU bei der freiwilligen Nachhaltigkeitsberichterstattung. Um die Notwendigkeit und die Abhängigkeiten aufzuzeigen, ordnet er gemeinsam mit Louis Schulze die Anforderungen der verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung detailliert ein, um aufzuzeigen, was nicht berichtspflichtige KMU in diesem Zusammenhang tun sollten. „Alles ist besser als nichts zu tun“, lautet sein Rat, „denn die Freiheiten sind begrenzt durch die Stakeholder Erwartungen.“ Als kleines Unternehmen am Ball zu bleiben, ist für ihn wesentlich, um zu wissen, was im Bereich Regulatorik los ist und womit sich die großen Unternehmen beschäftigen. „Natürlich haben größere Unternehmen – das trifft auch für die Region OWL zu –einen höheren Reifegrad, wenn es um die ESG-Berichterstattung geht“, fügt Louis Schulze hinzu. „Doch auch kleine und mittlere Unternehmen sollten sich mit der Thematik auseinandersetzen.“

Ökologie und Ökonomie

Die Motivation zur freiwilligen Nachhaltigkeitsberichterstattung nach dem VSME-Standard für KMU sollte vor allem aus ökonomischer Sicht erfolgen. „Wer es heute nicht macht, wird künftig Umsatzeinbußen verzeichnen“, mahnt Alexander Theek, der beispielhaft eine Lieferantenanfrage präsentiert, in der Nachhaltigkeitsinformationen unter massivem Druck abgefragt werden. „Das ist die Realität, auf die wir uns zu bewegen. Die Auswirkungen, die die Wertschöpfungskette für KMU bereithält, sind unmittelbar“, macht er deutlich. IROs (Auswirkungen, Risiken und Chancen) in der vor- und nachgelagerten Lieferkette rücken dabei in den Fokus. Auch für KMU. Der Druck wächst. Auch Banken haben keine Alternative, Nachhaltigkeitsthemen zu adressieren. Informationen über ESG-Aspekte und Risiken der Unternehmen sind für sie im Zuge der notwendigen Transformation wesentlich, um Kreditausfälle zu vermeiden.

Herausforderungen in der Praxis

In der Praxis zeigen sich vielfältige Herausforderungen für KMU: Die Dynamik der Regulatorik und die Sicherheit der Daten, insbesondere von Lieferanten, die in den Nachhaltigkeitsbericht einfließen. „Es braucht in den Unternehmen zudem personelle Ressourcen wie auch eine IT-Infrastruktur“, macht Alexander Theek deutlich. Maßgeblich für kapitalmarktorientierte KMU, die über das Geschäftsjahr 2026 verpflichtend berichten müssen, ist der Standard mit dem Namen LSME (Listed Small and Medium-sized Enterprises). Für nicht kapitalmarktorientierte KMU dient jedoch der VSME als einfaches Basiswerk zur Orientierung. „Doch es gibt einen Haken. Der Passus, der die Grenze an bereitzustellenden Nachhaltigkeitsinformationen festlegt, ist nicht im VSME, sondern im LSME, geregelt. Das heißt, KMU sollten im Blick haben, in welcher Wertschöpfungskette sie stecken und sich einige Punkte aus dem LSME herauspicken“, erklärt Alexander Theek. Wie unterschiedlich die Angaben abhängig vom geforderten Standard – ob ESRS, LSME oder VSME – ausfallen können, macht er anhand des Energieverbrauchs und Energiemixes deutlich.

Es braucht in den Unternehmen zudem personelle Ressourcen wie auch eine IT-Infrastruktur.

Alexander Theek

Vom Basis Modul aus agieren

Der VSME Standard selbst gliedert sich in der aktuellen Entwurfsfassung in BasisModul PAT-Modul (Policies, Actions and Targets) und Business-Partner-Modul. „KMU sollten sich zurzeit auf das Basismodul konzentrieren, solange die finale Fassung des VSME noch nicht veröffentlich wurde“, empfiehlt der zertifizierte Sustainability-Auditor. Der VSME zeichnet sich durch eine einfachere Sprache im Vergleich zu den ESRS aus, erfordert nach jüngsten Anpassungen der EFRAG keine Wesentlichkeitsanalyse mehr und umfasst insgesamt 11 Angabepflichten. „Es empfiehlt sich, sukzessive heranzugehen und falls es angemessen ist, den „if applicable“-Grundsatz anzuwenden“, rät Alexander Theek. Neben den Grundlagen der Erstellung (B1) geht es im allgemeinen Bereich auch um Praktiken für den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft (B2). In der Rubrik Umwelt geht es schließlich deutlich differenzierter zur Sache. So geht es unter Punkt B3 zum Beispiel speziell um den Energieverbrauch aus fossilen Brennstoffen und Elektrizität als auch Treibhausgasemissionen. Hilfe zum CO2-Fußabdruck gibt es unter anderem mit kostenlosen Angeboten wie dem ecocockpit der Effizienz-Agentur NRW, aber natürlich auch mit anderen kostenpflichtigen Varianten.

Alexander Theek

Nicht relevant für KMU ist zurzeit das PAT-Modul, Es wurde nach starker Kritik aufgelöst. Insbesondere, weil man die Durchführung einer Wesentlichkeitsanalyse für KMU als zu arbeitsintensiv betrachtet. „Einige Angabepflichten aus dem PAT-Modul sollen jetzt in das Basic-Modul überführt werden. Es bleibt aber abzuwarten, in welchem Umfang die Angaben überführt werden“, unterstreicht Alexander Theek. „Unserer Meinung nach ist den KMU eine ‚Light-Wesentlichkeitsanalyse‘ zu empfehlen, in deren Rahmen die relevantesten Nachhaltigkeitsaspekte für das Unternehmen identifiziert werden.“

Das Business-Partner-Modul (zukünftig das Comprehensive Modul) ist dagegen für KMU gedacht, die bereits mit Fragebögen von Geschäftspartner*innen konfrontiert werden und umfasst sechs Angabepflichten und befriedigt insbesondere Informationsanfragen aus der Finanzwirtschaft.

Der Transformationsdruck wächst

„Es ist sehr leicht, ein Ziel für die Reduzierung der THG-Emissionen zu setzen, aber schwer, es zu erreichen. Auch um einen Übergangsplan zur Eindämmung des Klimawandels zu schreiben, braucht es eine Guidance“, weist er auf mögliche Schwierigkeiten hin. „Ganz zu schweigen von physischen Risiken des Klimawandels, und der Frage, wie resilient ein Unternehmen demgegenüber ist.“ „Die Notwendigkeit einer Transformation ist groß“, betont auch Louis Schulze. Die Frage ist für die beiden Referenten keine rein ökologische, sondern auch eine ökonomische. Wenn sich die Wirtschaft nicht ändert, dann werden die Kosten für Unternehmen durch klimatische Veränderungen wie Stürme, Hitzewellen oder Wasserknappheit so hoch, dass die gesamte Wirtschaft kollabiert. Das heißt, klimatische Ereignisse oder Bedingungen werden innerhalb der nächsten 10 Jahre einen erheblichen Impact auf viele Länder und Branchen haben. „In anderen Zeithorizonten zu denken, ist wichtig. Denn das Marktverhalten ändert sich und wird sich auf den Risk Report niederschlagen“, resümiert Alexander Theek. „Es gibt Risiken, über die man nachdenken muss, um daraus die Motivation zur Veränderung zu schöpfen und einen Plan zu entwickeln, wie man sein Unternehmen CO2-neutraler aufstellen kann.“

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