1. März 2024
Nachhaltigkeit und ESG in Krankenhäusern & Co.

Warum sich Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen lohnt

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Organisationen des Gesundheitswesens, wie Kliniken, Krankenhäuser, Reha-Einrichtungen und Co., sind einer besonderen Form des Wirtschaftens unterworfen. Da sind einerseits die Kosten, der Finanzierungsdruck sowie der Fachkräftemangel und auf der anderen Seite die Erwartungen der Patient*innen, die letztlich wenig Einfluss auf Art und Umfang ihrer Versorgung haben. Denn die Behandlungskosten werden von gesetzlichen – oder privaten – Krankenversicherungen, Pflege- oder Rentenversicherung übernommen. Mit Inkrafttreten der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) werden künftig deutlich mehr Organisationen des Gesundheitswesens berichtpflichtig. Die Gesundheitswissenschaftlerin Mia Feldmann unterstützt Krankenhäuser dabei, Nachhaltigkeitsberichte gesetzeskonform und prüfsicher zu erstellen und Nachhaltigkeitskennzahlen individuell zu identifizieren.

Frau Feldmann, Sie führen viele Gespräche mit Kliniken. Wie sieht es mit der Bereitschaft von Organisationen im Gesundheitswesen aus, das Thema Nachhaltigkeit anzugehen?

Mia Feldmann: Das ist sehr unterschiedlich. Einige Kliniken haben sich schon auf den Weg gemacht, aber für viele steht das Thema Nachhaltigkeit noch nicht im Fokus oder sie adressieren primär an ökologische Projekte und weniger an Soziales und Governance. Für Organisationen im Gesundheitswesen sollte aus meiner Sicht auch soziale Nachhaltigkeit im Fokus stehen. Relevant sind hierbei lebensqualitätsbezogene Kennzahlen in der Patientenversorgung und eine Sicherstellung von poststationärer Versorgung, die auf das Konto soziale Nachhaltigkeit einzahlen. Außerdem Kennzahlen, wie beispielsweise die Offenlegung der Frauenquote in der Führungsebene und einer etwaigen Gender Pay Gap. Fragen zum Diversity- und Gesundheitsmanagement stehen ebenso auf der Agenda wie Auskünfte zur Fluktuation, Beteiligung und Zufriedenheit der Mitarbeitenden.

Was raten Sie Kliniken, Krankenhäusern und Co. in der aktuellen Situation?

Mia Feldmann: Nicht die Augen zu verschließen, sondern schon jetzt mit einer Ist-Analyse anzufangen. Zu prüfen: Was machen wir eigentlich schon in puncto Nachhaltigkeit und welche Ziele wollen wir erreichen? Für diesen Weg braucht es eine Strategie, die unter Einbeziehung aller an der Unternehmung Beteiligten operationalisierbar ist. Eine Stakeholder- und Wesentlichkeitsanalyse ist verpflichtend. Das wird auch von Wirtschaftsprüfer*innen abgefragt. Es ist vorgesehen, dass die Prüfer vorerst nicht so streng, wie beispielsweise den üblichen Geschäftsbericht, prüfen. Im nächsten Step werden die Prüfungen allerdings verschärft und alle Angaben zu Nachhaltigkeitsthemen ebenfalls einer eingehenden Prüfung unterzogen. Bei Verstößen drohen dann empfindliche Geldstrafen. Wichtig ist ein klar strukturierter Prozess, eine transparente Verteilung der Verantwortlichkeiten und eine gute Schulung der Beteiligten. Jedes Unternehmen sollte genau überlegen, ob es tatsächlich die personellen Ressourcen hat, um einen prüfsicheren Nachhaltigkeitsbericht aufsetzen zu können. Je nach Struktur und Größe einer Organisation kann es effizienter sein, sich Expertise und Beratung von außen zu holen, um das Thema einmal gründlich zu planen und erstmalig umzusetzen. 

Mia Feldmann, Feldmann Nachhaltigkeitsberatung | Foto: Patrick Kruse Fotodesign

Wo sind aus Ihrer Sicht gute Hebel für Organisationen, um das Thema Nachhaltigkeit anzugehen? Haben Sie ein paar Beispiele aus der Praxis für uns?

Mia Feldmann: Laut Berechnungen ist das Gesundheitswesen für etwa sechs Prozent der Gesamtemissionen verantwortlich – Krankenhäuser sind da einer der Hauptverursacher. Narkosegase sind beispielsweise hochgradig klimaschädlich. Sie haben einen 2.500 Mal höheren Impact als CO2. Die Gase lassen sich vermeiden. Das reduziert nicht nur die Emissionen, sondern kann zudem die Kosten senken. Außerdem kann die Investition in Sterilisationsmaßnahmen sinnvoll sein, um den Einsatz von Einmal-Material zu vermeiden. Auch im Kleinen kann sehr viel bewirkt werden. Die Verpackungen von Nahtmaterial sind beispielsweise meist aus Plastik. Es gibt aber Anbieter, die eine Umverpackung aus recyclebaren Aluminium anbieten. Auch Gummihandschuhe gibt es z. B. biologisch abbaubar. Insgesamt ist natürlich auch die effiziente Energie- und Stromplanung ein Riesenthema. Erfahrungsgemäß ist es sinnvoll, die Mitarbeitenden bei nachhaltigen Transformationsprozessen aktiv miteinzubeziehen. Das motiviert und schafft ein Bewusstsein im Umgang mit Ressourcen. Eine große Herausforderung sind die Gebäude. Viele Kliniken, insbesondere im Westen der Republik, sind sanierungsbedürftig, sollen aber bis 2045 klimaneutral sein. Das Geld bzw. die Investitionen in den Sektor fehlen jedoch noch an zu vielen Stellen.

Und welche Möglichkeiten bietet aus Ihrer Sicht die Verbesserung sozialer Nachhaltigkeit? 

Mia Feldmann: Die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist eine gute Chance, soziale Nachhaltigkeit, die Patient*innen und Mitarbeitenden zugutekommt, groß zu machen. Ich denke da als ein Beispiel an das Entlassungsmanagement – auch im Hinblick auf die Wiedereinweisungsquote. Das gesetzlich vorgeschriebene Entlassungsmanagement umfasst u. a. eine Beratung zum Sozial- und Betreuungsrecht sowie zur Pflegeversicherung. Daneben die Organisation von Pflegehilfsmitteln, z. B. Rollator, Rollstuhl, Pflegebett, eine ambulante medizinische oder pflegerische Versorgung sowie eine ambulante oder stationäre Behandlung in einer Rehaklinik. Ein erfolgreiches Entlassungsmanagement kann aber nur erfolgen, wenn dieses in der Strategie an Zielkennzahlen gebunden und systematisch umgesetzt wird. 

Inwiefern können Organisationen von der Nachhaltigkeitsberichterstattung profitieren? 

Mia Feldmann: Sie können sich im Zuge der Nachhaltigkeitsberichterstattung als attraktiver Arbeitgeber positionieren. Krankenhäuser, Kliniken etc. können zeigen: Wir übernehmen Verantwortung für Mensch und Umwelt. Und das ist kein bloßes Lippenbekenntnis, sondern das können harte Fakten dokumentieren. Das zahlt nicht nur auf die Arbeitgebermarke ein, sondern auch auf den Markenbildungsprozess von Organisationen. Darüber hinaus lassen sich erhebliche Kosten sparen und natürlich ein erheblicher Impact in allen Dimensionen der Nachhaltigkeit erreichen. 


Feldmann Nachhaltigkeitsberatung

Mia Feldmann hat seit ihrem Studium der Gesundheitswissenschaften in Bielefeld und Maastricht eng mit Organisationen des Gesundheitswesens zusammengearbeitet und aus wissenschaftlicher Perspektive bearbeitet. Ihr ist die Überführung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Forschungsergebnissen ein großes Anliegen: Forschung für und mit der Praxis. Das gab den Push, im Sommer 2023 neben ihrer Promotion „Feldmann Nachhaltigkeitsberatung“ zu gründen. Sie berät Krankenhäuser dazu, wie sie sich im Sinne von ESG nachhaltiger gestalten können. 

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