Miriam Ertel denkt Zusammenarbeit neu und stellt gleich zu Anfang ihres Vortrages die Frage in den Raum, ob Selbstorganisation und Verantwortung in Teams zu mehr Zufriedenheit führt. Doch, was heißt Selbstorganisation überhaupt? „Eigentlich ist es ein selbsterklärender Begriff“, macht die Bildungsökonomin mit Blick auf Begriffe wie Soziokratie, Holacrazy und Agile Arbeit deutlich, die oft im Zusammenhang mit neuen Arbeitsmodellen auftauchen, bei denen es um mehr Flexibilität und Eigenverantwortung geht. Vier Gesichtspunkte sind für Miriam Ertel richtungsweisend für das Thema Selbstorganisation. Zum einen entwickeln Teams eigenständige Lösungen zu den Herausforderungen ihrer Kund*innen, das heißt aber auch, dass sich ein Team nicht mit der Führungskraft abstimmen muss. Das Team richtet sich zudem auf das gemeinsame Ganze aus, wobei die Kund*innen oder die Geschäftsführung die strategische Richtung vorgibt. „Das Team definiert, was zu tun ist“, schlussfolgert Miriam Ertel, die darauf hinweist, dass in der Praxis verschiedene Stufen der Selbstorganisation in Unternehmen zu finden sind. In einem neunstufigen Modell reicht das Spektrum von der Nicht-Partizipation, die sich durch verkrustete Strukturen auszeichnet, sodass Mitarbeitende nur nach Anweisungen handeln und Anhörungen stark eingeschränkt sind, über eine Partizipation, bei der in Teilbereichen Mitbestimmungen und Entscheidungen möglich sind, bis hin zur kompletten Selbstorganisation. „Viele Unternehmen bewegen sich zwischen Stufe fünf und sieben, das heißt, das Spektrum bewegt sich zwischen der Einbeziehung von Mitarbeitenden bis hin Entscheidungskompetenz in Teilbereichen“, so Miriam Ertel. Ziel eines Unternehmens müsse es sein, achtsam zu schauen, welcher Grad der Selbstorganisation zu mehr Zufriedenheit und Effektivität im Unternehmen führe. „Zu beobachten ist jedoch, dass selbstverantwortliche Teamstrukturen gerade auch in Krisenzeiten besser tragen“, stellt Miriam Ertel die Unterschiede zwischen hierarchischen und agilen Strukturen fest. Darüber hinaus reiche es gerade jüngeren Beschäftigten nicht mehr, nur ‚Befehlsempfänger*in‘ zu sein. „Allerdings nimmt auch der Druck Älterer auf die Unternehmensleitung zu“, erklärt die Bildungsökonomin. Und: Je mehr Beteiligung stattfindet, umso besser kommt die sogenannte „Schwarmintelligenz“ einem Unternehmen beim Finden von Lösungen zugute.
Das Spektrum, das Teams eigenverantwortlich organisieren, ist dabei weit gefächert und beschränkt sich nicht nur auf betriebliche Abläufe. „Beim Thema Selbstorganisation und Verantwortung geht es nicht nur darum Aufgaben und Rollen festzulegen, sondern auch um die Zusammenarbeit in Teams, von der Potentialentwicklung bis hin zur Aufgabe Krisen, Konflikte und Disharmonien zu lösen, aber auch eine Feedback-Kultur aufzubauen“, greift Miriam Ertel einige Themenfelder heraus. Die Feedback-Kultur und die Frage, wie sich Teams organisieren und damit aus Führungsaufgaben Rollen werden, beleuchtet die Expertin schließlich intensiver.
Gerade das Thema Feedback ist für Miriam Ertel ein interessanter Punkt. Feedback findet nicht mehr top down statt und klassische Jahresgespräche oder Personalentwicklungsgespräche werden in die Teamselbstführung übergeben. „Es ist wichtig, dass Teams Feedbacktechniken erlernen, etablieren und diese situativ oder geplant regelmäßig anwenden, damit sich jeder aus dem Team weiter entwickeln kann, aber auch um sicherzustellen, dass keine längerfristigen Spannungen im Team entstehen“, stellt sie fest. Mit einem praktischen Beispiel zur Umsetzung einer Feedback-Kultur aus dem Unternehmensalltag eines Start-ups und mithilfe von wertschätzenden Fragen, die als Erfolgsfaktor maßgeblich sind. Dabei wird eins klar: Die Erfahrungen mit Feedback sind bei den zugeschalteten DKAB-Partner*innen sehr unterschiedlich. „Es ist ein gutes Tool, um sich weiterzuentwickeln“, stellt Yvonne Schnapke, u+i interact, fest. Eric Adelt, IP Adelt GmbH, ergänzt: „Es erfordert allerdings auch viel Disziplin.“
Mit konkreten Beispielen u.a. aus dem Bereich Pflege und gezielten Fragen nähert sich Miriam Ertel schließlich der Frage, wie sich Teamarbeit organisieren lässt und wie aus Führungsaufgaben Rollen werden. Neben den originären Aufgaben der Teammitglieder geht es dabei vor allem darum, stärkenorientiert Rollen zu verteilen. „Die Ressourcen, die ein Team benötigt, werden größer“, stellt sie mit Blick auf die Funktion von Führungskräften fest, die am Ende immer mehr zum Sparringspartner und Coach werden. Einblicke, wie vielfältig Teamorganisation in den einzelnen Unternehmen aussieht, liefert am Ende eine Break-out-Session. Sie dient dazu, in den Transfer zu gehen. „Eigenverantwortlich, aber nicht einsam arbeiten“, schlussfolgert Eric Adelt. Roland Hofstetter, Geschäftsführer der Diamant Software GmbH, weist dagegen darauf hin, wie wichtig es ist, dass in jedem Team alle benötigten Kompetenzen vorhanden sind. Deutlich wird: Es braucht Strukturen, die eine Selbstorganisation möglich machen. Neben unternehmerischen Zielen und Strategien, die handlungsleitend sind, braucht es Rahmen und Regeln, eine abgestimmte Kommunikation nach innen und außen, aber eben auch Teams, die hinsichtlich ihrer Qualifikationen, Stärken und Herkunft möglichst divers sind. Fest steht für Miriam Ertel jedoch auch: „Es gibt auf dem Weg zu mehr Selbstorganisation unterschiedliche Vorgehensweisen.“ Dabei muss es nicht gleich der ganz große Wurf sein. Auch Etappen führen zum Erfolg. Wichtig ist jedoch, dass sich zum Beispiel der Grad der Selbstorganisation stufenweise steigert, klare Botschaften direkt am Anfang formuliert werden, sich Aufgaben und Rollen an Stärken orientieren, aus Fehlern gelernt werden darf und ein regelmäßiges Feedback stattfindet. „Wir können heute alle – unabhängig von der Position und Funktion im Unternehmen – konkrete Ideen für unsere Arbeitsweise mitnehmen“, resümiert Brigitte Meier am Ende des 12. Virtuellen DKAB-Partnertreffens.
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