9. Mai 2023
Wie tickt die Gen Z?

Was Unternehmen über die Generation Z(ukunft) wissen sollten und wie sie sie erreichen können

DKAB

Unternehmen brauchen dringend Fachkräfte. Schätzungsweise fehlen bis 2040 rund sechs Millionen Arbeitskräfte. Umso wichtiger ist es, rechtzeitig die Generation Z für sich zu gewinnen. 2025 wird sie 27 Prozent der Arbeitskräfte ausmachen und die Babyboomer übertreffen. Wie die heute 15- bis 27-Jährigen ticken und was sie von zukünftigen Arbeitgeber*innen erwarten, weiß Michelle Müller. Die 20-Jährige ist Head of Consulting bei ZEAM. Die Schweizer Generation Z-Beratungs- und Kreativagentur unterstützt Unternehmen, wie u. a. Allianz Deutschland, Porsche, Google, Adidas und Vodafone, junge Menschen zu verstehen und als Zielgruppe für sich einzunehmen.

Michelle, was zeichnet die Generation Z Deiner Meinung nach aus? 

Michelle Müller: Vorab: Wir sind nicht alle gleich (lacht). Dennoch haben wir einen gemeinsamen Background, bestimmte Ereignisse haben uns geprägt. Von den Älteren wissen bestimmt die meisten noch, wo sie am 11. September 2001 waren. Ich war da noch gar nicht geboren, deshalb denke ich, wenn ich einen Flughafen betrete, nicht an die Wichtigkeit von Sicherheitskontrollen, sondern frage mich eher: Warum fliegen so viele Menschen? Die Generation Z ist mit Internet, Smartphone und Co. aufgewachsen. Wir sind Digital Natives und kennen die Welt davor nur aus Geschichtsbüchern. Wir sind es gewohnt, dass Services rund um die Uhr verfügbar sind. Und diese müssen leicht und schnell bedienbar sein. Wenn eine Hotelbuchung online zu lange dauert, bin ich weg. Wir nutzen ganz selbstverständlich Flatrates und sind untereinander über verschiedene Social-Media-Kanäle vernetzt. Über Social Media können wir uns ganz einfach weltweit connecten. Nur so ist erklärbar, dass ein 16-jähriges Mädchen aus Schweden eine Weltbewegung auslösen konnte. Ähnliches gilt für die Black-Lives-Matter-Bewegung. Der Krieg in der Ukraine und die Pandemie haben zu Verunsicherungen geführt. Das Thema Jobsicherheit ist beispielsweise in dieser Zeit wichtiger geworden, denn wir haben gelernt, dass gewisse Jobs schnell verschwinden können. 

Wie bist Du selbst zu ZEAM gekommen?

Michelle Müller: Auf die Agentur bin ich über eine Instagram-Story aufmerksam geworden, weil ich Yaël Meier gefolgt bin, die ZEAM zusammen mit Jo Dietrich gegründet hat. Ich hatte gerade meine zweisprachige Maturität absolviert und den Job im Consulting-Bereich fand ich spannend. Wir sind ein 30-köpfiges Team mit einem Durchschnittsalter von 21. 

Wo ist Deine Generation, die Gen Z, unterwegs?

Michelle Müller: Hier kann man klar festhalten: nicht „Digital First“, sondern „Social Media First“. Eine Studie zur Handynutzung zeigt, dass junge Menschen damit durchschnittlich über drei Stunden an Wochentagen und vier Stunden an Wochenenden verbringen. Die Gen Z ist u. a. auf Insta, YouTube, LinkedIn, Snapchat, TikTok, BeReal oder Gaming-Plattformen wie Fortnite und Roblox unterwegs. Das sollte beim Employer Branding bzw. Recruiting berücksichtigt werden. Wer junge Menschen als Mitarbeitende gewinnen möchte, muss mögliche Berührungspunkte schaffen. Die Unternehmen müssen sich bewerben, denn wir haben einen Arbeitnehmermarkt. Die Machtverhältnisse haben sich verschoben. Wer Fachkräfte im Alter zwischen 21 und 27 Jahre sucht, muss auf LinkedIn präsent sein. Jüngere – also zwischen 15 und 20 Jahre – erreicht man bei TikTok. Eine Plattform, die anfangs belächelt wurde, ist heute die am schnellsten wachsende.  

Wie funktioniert Recruiting auf TikTok?

Michelle Müller: Nehmen wir ein Beispiel. Um junge Leute für Ikea Schweiz zu begeistern, haben wir ein TikTok-Video gedreht, um geheime Orte des Möbelhauses zu zeigen, zum Beispiel den Massageraum oder die Dachterrasse. Alles Orte, zu denen nur die Mitarbeitenden Zugang haben. Das hat uns 500.000 Aufrufe gebracht und für ordentlich Traffic auf der Karriereseite gesorgt. Und das bei praktisch keinen Werbekosten. Wichtig ist, dass sich Unternehmen in der Lebenswelt der Gen Z bewegen und ihre Sprache sprechen.

Wie will die Gen Z arbeiten?

Michelle Müller: Es gibt vielfach das Vorurteil, dass die junge Generation faul sei. Ein Hamburger Chef nimmt keine jungen Leute mehr, weil die angeblich nach sechs Stunden zum Yoga müssen. Heute kann man Leistung nicht mehr gleichsetzen mit Präsenz. Warum sollte man bis 17 Uhr im Büro bleiben müssen, wenn die Arbeit erledigt ist? Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass den Gen Zlern die Möglichkeit gegeben wird, sich projektweise zu beweisen. Das sollte mit einer guten Feedback- und Fehlerkultur verbunden werden. Wichtig ist auch die Sinnhaftigkeit der Arbeit. Und ein letzter Punkt: Alter ist nicht gleichbedeutend mit Kompetenz. Besonders durch ihre digitale Affinität kann die Generation Z wertvolle Beiträge leisten. Man muss ihnen auf Augenhöhe begegnen und sie ernst nehmen, sonst kann sich sehr schnell eine Frustration einstellen, die produktives Arbeiten verhindert. Mitarbeitende verlassen vielfach nicht das Unternehmen, sondern Vorgesetzte. Einer Studie zufolge fühlt sich jeder dritte Angehörige der Gen Z im Job nicht ernst genommen.  

Wie sieht es mit dem Gehalt aus?

Michelle Müller: Cash ist wichtig. Die Gen Z guckt genau hin, was sie im Vergleich zu alternativen Jobs verdienen würde. Sie geht mit hohen finanziellen Erwartungen auf den Arbeitsmarkt, das Einstiegsgehalt sollte laut der Universum-Studie, für die jährlich Studierende befragt werden, 53.800 Euro betragen. In einer Umfrage haben wir gesehen, dass Angehörige des Gen Z bereit wären, auf ein hohes Einstiegsgehalt zu verzichten, wenn die Aussicht auf ein hohes Gehalt in der Zukunft bestünde. Wichtig ist darüber hinaus die interne Wertschätzung: Was macht das Unternehmen für mich? Dazu gehören zuallererst ein gutes Arbeitsklima, gefolgt von Jobsicherheit, ein überdurchschnittliches Gehalt, es muss inhaltlich interessant sein sowie flexibles Arbeiten – am besten von überall auf der Welt aus – muss geboten werden. Auch die externe Wertschätzung ist von Belang. Wie reagieren andere, wenn ich von meinem Arbeitgeber erzähle? 

Was empfiehlst Du Unternehmen, damit unterschiedliche Generationen gut zusammenarbeiten können?

Michelle Müller: Beteiligt junge Talente an Entscheidungen und übertragt ihnen Verantwortung. Und hört euch ihre Vorschläge und Ideen an. Auch wenn manche Ideen zunächst keinen Sinn ergeben, können daraus vielleicht gute Denkanstöße für etwas Cooles abgeleitet werden. Fragt direkt bei der Gen Z nach, warum sie gern für euch arbeitet oder was sie bei euch vermisst. Regelmäßige Feedback- und Leaving-Gespräche sind in dieser Hinsicht hilfreich. Eure Unternehmenswerte müssen nach außen getragen werden. Erzeugt Sichtbarkeit, aber bleibt authentisch dabei. Die Gen Zler sind übrigens nicht nur als Mitarbeitende interessant, sondern auch als Kund*innen, weil sie noch nicht so markengebunden und offen für neue Marken und Produkte sind. Es ist erstaunlich, dass in vielen Marketingabteilungen Entscheidungen über Maßnahmen zur Erreichung von jungen Menschen getroffen werden, ohne dass junge Menschen dabei sind. Mir geht es insgesamt darum, eine Brücke zwischen den Generationen zu schlagen. Lasst euch aufeinander ein. Wir können sehr viel voneinander lernen. Bekanntlich sind wir zusammen stärker als allein.

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