Klimaneutrales und nachhaltiges Wirtschaften in Unternehmen – so geht´s



Keynote - Höchste Zeit zu handeln

„Das Leben im gefährlichen (Klima-) Wandel“

Mit eindrücklichen Bildern untermauert der promovierte Biologe, der seit 30 Jahren für Greenpeace nationale, internationale und globale Kampagnen und Projekte entwickelt, die Faktenlage. Der Lebensraum „Meer“ steht vor dem Kollaps. Die Küsten und Strände der Welt ertrinken im Plastikmüll. Das Korallensterben hat eklatant zugenommen, bereits 88 Prozent des australischen Great Barrier Reefs sind von der Korallenbleiche betroffen. Korallen sind höchst empfindliche Lebewesen und reagieren sehr sensibel auf den Temperaturanstieg, den der Klimawandel mit sich bringt. Auch die Fischbestände sind massiv zurückgegangen, es stehen nur noch 20 Prozent unserer wichtigsten Proteinquelle zur Verfügung. Millionen von Geisternetzen stellen für die Meeresbewohner eine tödliche Gefahr dar, wie auch der Plastikmüll. 350 bis 400 Millionen Tonnen Plastik werden jährlich weltweit produziert, wovon nur 7 Prozent recycelt werden. „Für die Tiere ist das dramatisch. Sie fressen den Plastikmüll oder verheddern sich in den Netzen und sterben“, berichtet Dr. Thomas Henningsen.

Keine Welt ohne Wald

In einem genauso desolaten Zustand befinden sich die Wälder weltweit. Alle zwei Sekunden verschwindet in einem Regenwald die Fläche von der Größe eines Fußballfeldes. Besonders dramatisch ist die Lage am Amazonas. Dort leben rund die Hälfte aller Pflanzen und Tiere weltweit. Die ungebremste Rodung der Wälder, um Platz für die außer Kontrolle geratene Rinderzucht zu schaffen, hat verheerende Folgen – für den Artenschutz, für das Klima und nicht zuletzt für die Trinkwasserversorgung in ganz Südamerika. Bereits 27 Prozent des Amazonasgebiets sind zerstört worden. Auch in anderen Teilen der Welt sind schon große Löcher in die Wälder gerissen worden. Weltweit werden jeden Tag 10 Millionen Tonnen an Papier verbraucht, überwiegend Wegwerfverpackungen. Im internationalen Vergleich ist Deutschland mit 250 kg Papier pro Jahr und pro Kopf Weltmeister im Verbrauch. „Eine Welt ohne Wald ist nicht möglich“, betont Dr. Thomas Henningsen.

Klimawandel betrifft alle

Die Folgen des Klimawandels haben sich gerade in den letzten Jahren nachdrücklich durch außergewöhnliche Ereignisse wie Starkregen, Überflutungen, Hagelschauer, Waldbrände, Erdrutsche gezeigt – auch in Europa. Das Klima kippt, die Erde wird wärmer. „Ein Grad Erderwärmung hat gravierende Konsequenzen“, sagt der Umweltexperte und veranschaulicht dies an einem Beispiel. „Wenn unsere Körpertemperatur um ein Grad höher ist, fühlen wir uns nicht besonders gut. Steigt sie auf 39 °C geht es uns richtig schlecht und bei 42 °C tritt der Exitus ein. So geht es unserer Erde. Wenn wir eine Erwärmung von 5 °C haben, ist hier ein Leben nicht mehr möglich.“ Deshalb wäre es am besten, die kritische Marke von 1,5 °C nie zu erreichen. Allerdings hat die Geschwindigkeit der Zerstörung so drastisch zugenommen, dass dies bereits in acht Jahren der Fall sein könnte. „Das liegt daran, dass wir etwas verbrennen und unsere Atmosphäre mit 850 Tonnen CO2 in der Sekunde belasten“, erklärt der Biologe. Allein in den letzten drei Jahren waren die Auswirkungen global, aber auch in Europa, radikal zu spüren. „Wenn wir uns die Jahre 2019, 2020 und 2021 betrachten, hatten wir die stärksten Stürme und die heißesten Temperaturen überhaupt. Auch wenn wir das hier in Deutschland vielleicht anders empfinden, 2021 war in Europa der heißeste je gemessene Sommer und wir hatten auch bei den Stürmen Rekordwerte.“

Das Eis schmilzt

So zog der Sturm „Lorenzo“ am 2.10.2019 nicht wie sonst nach Westen, sondern nach Osten und das mit einem Spitzenwert von 440 km/h. Dass Stürme ihr Verhalten ändern, liegt in den gestiegenen Temperaturen begründet. In 2019 waren es 9 °C mehr als sonst. Das Eis in der Arktis und auch der Antarktis schmilzt, der Meeresspiegel und die Oberflächentemperatur steigen und die Stürme saugen sich voll mit Wasser. Und es wird wärmer. Schon heute ist in Afrika 1 Prozent der Fläche aufgrund von Hitze nicht bewohnbar. Berechnungen zufolge könnten es 2070 bereits 19 Prozent sein. Auch Waldbrände haben in den vergangenen Jahren enorme Flächen und damit den Lebensraum für Mensch und Tier verschlungen. Allein in Australien fiel die vierfache Fläche Belgiens den Flammen zum Opfer. Der schwarze Kohlenstoff wirkt sich u. a. auf die Arktis aus. Die Gletscher, auch in Grönland oder Island, werden schwarz und diese Farbe begünstigt die Schmelze des Meereises. Dr. Thomas Henningsen zeigt Fotos von Schmelzwasserflüssen – und Wasserfällen. Vorher gab es dort kompakte Gletscherwände. Experten sprechen davon, dass in Grönland bereits der „point of no return“ erreicht sei.

Die ignorierte Katastrophe

„Der Jet Stream verändert sich. Er lebt davon, dass es am Äquator heiß und im Norden kalt ist. Durch die massiven Veränderungen kommt es zur Schneeschmelze und Wärmewellen. Das haben wir in Deutschland im Februar dieses Jahres erlebt, als auf den ungewöhnlichen starken Schneefall gepaart mit kräftigem Wind nach ein paar Tagen sehr warme Luft zu uns kam und zum Teil für Überschwemmungen gesorgt hat“, so der Umweltexperte.

Nicht „nur“ die Arktis, auch die Antarktis schmilzt. Das Wasser fließt ins Meer, der Meeresspiegel steigt und überflutet die Küstenregionen. In anderen Teilen der Welt wird es immer heißer und immer mehr Menschen haben keinen Zugang zu Wasser. In der Folge werden die Menschen aus den betroffenen Regionen flüchten. Innerhalb der nächsten 30 Jahre wird mit etwa 1,2 Milliarden flüchtenden Menschen gerechnet.

Jetzt handeln!

„Aber es gibt noch Hoffnung“, sagt Dr. Thomas Henningsen. Shell habe angekündigt, nicht zuletzt wegen der Klimaklage, die Kohlenstoffdioxid-Emissionen beschleunigt reduzieren zu wollen. In Grönland werde nicht mehr nach Öl gebohrt und auch Neuseeland habe die Förderung von Öl und Gas eingestellt. Die Initiative Ocean Cleanup will den Plastikmüll aus den Meeren fischen, überall würden Bäume gepflanzt, allein zwei Millionen in Äthiopien. Es werde mehr in Windkraft investiert und China setze zumindest im Ausland nicht mehr auf Kohlekraft. Black Rock, der weltgrößte private Finanzverwalter, habe sich entschieden, dass keine Investments mehr in Kohle und Gas getätigt werden. „Wir haben noch etwa sechs bis zehn Jahre“, betont der Biologe. Die Politik habe es verschlafen, rechtzeitig zu handeln. Insbesondere beim Kohleausstieg. Deutschland sei diesbezüglich der größte Klimaverbrecher in Europa. Bei den „Dirty Ten“ belegt Deutschland nach den USA, Australien und Russland den vierten Platz. Die Welt muss den Klimaschutz versiebenfachen. Dr. Thomas Henningsen nennt fünf Aktionsfelder:

  1. Raus aus der Kohle und auf regenerative Energien setzen
  2. Wälder konsequent schützen und überall (auch auf Dächern und an Fassaden) mehr Grün pflanzen
  3. Russland wieder mit ins Boot holen
  4. mehr Vernetzung & Allianzen bilden
  5. Jeder kann etwas tun (u. a. Konsum einschränken, Ökostrom nutzen, Bio-Lebensmittel einkaufen, Rad und ÖPNV nutzen).

„Erkennen Sie die Chance, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Lassen Sie es uns gemeinsam anpacken. Es lohnt sich, für unseren Planeten zu kämpfen und das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.“ Mit diesem eindringlichen Appell beendet Dr. Thomas Henningsen seinen Vortrag. „Ja, es ist höchste Zeit, mehr zu tun“, nimmt Brigitte Meier den Faden auf und leitet zu den drei Workhops über: „Nun kommen wir von der Theorie in die Praxis mit Handlungswissen, Methoden und Best-Practice.“

Dr. Thomas Henningsen, Umweltexperte, ORCA gGmbH

Dr. Thomas Henningsen ist Biologe und Experte für globale Umweltentwicklungen. Seit 30 Jahren entwickelt und leitet er für Greenpeace nationale, internationale und globale Kampagnen und Projekte, sowohl in Europa als auch international. Dr. Thomas Henningsen ist Autor verschiedener TV-Dokumentationen und Hörbücher sowie Verfasser von Büchern wie der Planet der Wälder, die Wilden Wälder Europas und die Schatzkammer Arktis.

Als Mitbegründer und Geschäftsführer der gemeinnützigen Gesellschaft ORCA - Organisation for Rapid Climate Action gGmbH unterstützt und begleitet er Institutionen, Einrichtungen und insbesondere mittelständische Unternehmen bei der Entwicklung ihrer Umwelt- und Klimastrategie. Sein Credo ist „Machbares (endlich) zu machen“.

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