Dr. Thomas Henningsen, der in seiner Keynote noch einmal den absolut notwendigen und dringlichen Handlungsbedarf zum Klimaschutz deutlich machte, gründete vor zwei Jahren mit Meinolf Köhn und fünf weiteren Gesellschaftern die gemeinnützige ORCA Organization for Rapid Climate Action GmbH. Unter dem Motto „Machbares machen“ begleitet die ORCA gGmbH mit inzwischen 20 Mitarbeitenden Kommunen und mittelständische Unternehmen auf ihrem Weg zur Klimafreundlichkeit.
Der erste und wichtigste Schritt ist dabei die Zieldefinition, wofür steht das Unternehmen und was möchte es durch die Maßnahmen erreichen? Die darauffolgende Ökobilanzierung gibt einen Eindruck davon, wie groß der CO2-Fußabdruck eines Betriebes überhaupt ist und welche Bereiche (Rohstoffe, Energieverbrauch, Transport etc.) daran maßgeblich verantwortlich sind. Die am sinnvollsten durchzuführenden Maßnahmen zur Senkung des ökologischen Fußabdrucks, werden dann gemeinsam mit dem Unternehmen identifiziert und umgesetzt. Dabei verfolgt ORCA einen holistischen Ansatz, fokussiert sich also nicht ausschließlich auf die Vermeidung von CO2, sondern hat ebenso den Artenschutz und den Erhalt einer lebenswerten Umwelt im Blick. Es ist wichtig anzufangen, um dann, gegebenenfalls auch in kleinen Schritten, voranzukommen.
Dieses zunächst theoretisch vorgestellte Vorgehen verdeutlichte Thomas Rathmann, Dornbracht AG & Co.KG am Beispiel des Produkts Badarmatur. Diese exklusiven Armaturen werden häufig in Hotels eingebaut, also im halböffentlichen Bereich. Die CO2-Analyse der Produktion einer solchen Badarmatur ergab einen ökologischen Fußabdruck von 60 kg CO2-Äquivalenten. Um dies einmal zu verdeutlichen: Zur Speicherung von 60 kg CO2 benötigen 4,5 große Buchen ein Jahr! Jeweils etwa ein Drittel des ökologischen Fußabdrucks wurde von der Fertigung der Armatur im Betrieb und dem Bereich Verpackung/Transport verursacht. Ein Sechstel ging zu Lasten des Rohstoffs Messing. Durch Ökostromeinsatz, Verwendung von Sekundärmessing (recyceltes Messing) und wiederverwendbarer Verpackung sowie Transport mit dem Schiff konnte die CO2-Emission um mehr als die Hälfte reduziert werden. Dabei war und ist Einfallsreichtum immer gefragt! In großen Stückzahlen gehen die Armaturen in stabilen Kartons an Hotels. Um den Verpackungsmüll zu reduzieren, werden zum einen die Kartons mit Weihnachtsmotiven, für eine möglichst langfristige Nutzung, bedruckt. Und zum anderen die empfindlichen Armaturen statt in Styropor in Geschirrhandtücher, welche weitere Nutzungsmöglichkeiten bieten, schützend verpackt.
Das zweite Beispiel stammt aus der Gesundheitsindustrie: die mittelständische Firma Hermann Bock GmbH aus Verl stellt mit 180 Mitarbeitenden Pflegehilfsmittel für die häusliche und stationäre Pflege her. Gemeinsam mit ORCA ermittelte Klaus Bock für sein Hauptprodukt „Pflegebett“, wovon jährlich 20.000 Stück produziert werden, einen CO2-Fußabdruck von 300 kg. Jedes zweite davon geht ins europäische Ausland. Bei der Analyse der Gesamtemissionen des Betriebes kommen so ca. 12.000 Tonnen CO2-Äquivalente zusammen, hiervon entfallen 625 t für den eigenen Energieverbrauch und 11.000 t für den Transport und das zugekaufte Ausgangsmaterial. Einsparungspotential liegt in der Verwendung von Ökostrom, insbesondere aber durch die Vermeidung des Einsatzes von Aluminium durch Verwendung von Sekundäraluminium oder „grünem“ Stahl, der Verarbeitung von europäischen Hölzern, der Optimierung des Transports sowie der Reduktion der Verpackung. Damit kann es gelingen den CO2-Ausstoss um mehr als die Hälfte bis hin zu Zweidrittel der ursprünglichen Menge zu reduzieren. Dies geschieht langfristig bereits bei der Produktentwicklung im Vorfeld durch den Einsatz von klimaschonenden Materialien. Es ist durchaus ein langer, aber lohnenswerter Weg, den die Firma Bock erfolgreich angetreten hat. Dies gelingt nicht ohne den Einsatz und die Motivation der eigenen Mitarbeitenden, so z.B. bei der Datenerfassung für die Klimabilanz. Ein Quick-Win der Beratung durch ORCA war u.a. die drastische Reduktion des Verbrauchs von Kunststoffhandschuhen durch eine einfache Maßnahme: den Einsatz von Schließfächern zur Aufbewahrung von persönlichen Dingen, u.a. Kunststoffhandschuhe. Ein weiteres Projekt ist das Begrünungskonzept des Außengeländes, welches bisher stark versiegelt war, und somit für Umwelt und Mensch optimiert wird. Viele Schritte auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit.
Thorben Thiesen, Junior Projektmanager in der Strategischen Unternehmensentwicklung bei Goldbeck, berichtet über die Nachhaltigkeitsziele des Bielefelder Familienunternehmens, das mit aktuell über 8.500 Beschäftigten den Top10 der Bauindustrie zu finden ist. Ziel von Goldbeck ist es, bis 2023 auf der Unternehmensebene CO2-neutral zu sein. Doch auch auf der Produktebene, sprich bei der Planung und Erstellung von Parkhäusern, Hallen und Bürogebäuden, wird schon längst auf Nachhaltigkeit gesetzt. Eine Vergleichsstudie zeigte, dass ein Geschäftsgebäude, von Goldbeck in Systembauweise erstellt, 25 Prozent weniger CO2-Äquivalente freisetzt als andere vergleichbare Massivbauten. Dies mag u.a. der Tatsache geschuldet sein, dass Goldbeck schon heute zu mehr als 90 Prozent Sekundärstahl und -aluminium verwendet. Bei Auftragserteilung bietet Goldbeck seinen Kunden schon jetzt verschiedene Nachhaltigkeitsklassen an. Etliche Nachhaltigkeitszertifikate hat das Unternehmen bereits erhalten und die Entwicklung zu nachhaltigem Bauen schreitet immer weiter voran: Noch ist die Verwendung von R-Beton (Recycling-Beton) in Deutschland nicht zugelassen ebenso wenig wie die Wiederverwendung von ganzen Gebäudeteilen in Neubauten. Bei Goldbeck wäre man allerdings nach Zulassung schnell für eine Umsetzung bereit, so dass sich weitere Einsparmöglichkeiten ergeben.